Kritik zu Whisky mit Wodka
Mit einem Drehbuch von Wolfgang Kohlhaase und Henry Hübchen in der Hauptrolle kann kaum etwas schiefgehen: Andreas Dresen macht aus einer wahren Filmanekdote eine melancholische Komödie
Auch im fortgeschrittenen Alter ist der Schauspieler Otto Kullberg (Henry Hübchen) immer noch ein Mann, der Quote macht. Leider ist der Populärdarsteller auch ein Alkoholiker, was die Arbeit mit ihm am Filmset zur Geduldsprobe werden lässt. Gerade hat er sich trotz aller Abstinenzversprechen wieder Schnaps in die Teethermoskanne gefüllt. Mehrfach verpasst er seinen Einsatz, und als Kullberg schließlich beim letzten Take lallend vor der Kamera zusammenbricht, hat Regisseur Telleck (Sylvester Groth) die Nase voll. Der Produzent macht am Telefon einen ungewöhnlichen Vorschlag: Ein zweiter Schauspieler soll engagiert werden, und jede Szene wird einmal mit Kullberg und einmal mit dem Kollegen gedreht, womit der trunksüchtige Star unter Druck gesetzt werden soll und die Produktionsfirma mit einer zweiten Option im Schnittraum auf der sicheren Seite ist.
Ein junger Theaterschauspieler wird unter Vertrag genommen. Aber auch wenn Arno Runge (Markus Hering) behauptet, er sei nur an der Kohle und nicht am Filmruhm interessiert, bleibt Kullberg gegenüber dem wendigen Konkurrenten auf Distanz. Die doppelte Dreharbeit führt nicht nur vor der Kamera zu immer absurderen Situationen, sondern bringt auch hinter den Kulissen das Beziehungsgefüge aus dem Lot. Filmpartnerin Bettina Moll (Corinna Harfouch), eine alte Flamme Kullbergs und jetzige Lebensgefährtin des Regisseurs, wird vom neuen Ersatzmann umgarnt und bekommt nach zwei Küssen vor und einem hinter der Kamera die Trennung zwischen Realität und Fiktion nicht mehr geregelt. Obwohl Kullberg durch den Konkurrenzdruck zu immer besserer Form aufläuft, stürzt der alternde Lebemann im Angesicht des Ersatzspielers in eine tiefe Lebenskrise.
Die Komödie beruft sich auf einen realexistierenden Fall in der DEFA-Geschichte. 1957 drehte Kurt Mätzig den aufwendigen Zweiteiler »Schlösser und Katen«. Hauptdarsteller Raimund Schelcher galt wegen seiner Alkoholprobleme als unsicherer Kandidat, und so stellte man ihm als animierende Konkurrenz Hans Hardt-Hardtloff zur Seite. Zwei Wochen lang wurden alle Szenen doppelt gedreht, was Schelcher zu sichtbar besseren Leistungen anspornte. Frank Beyer, der damals Regieassistent bei Mätzig war, hat dieses filmhistorische Kuriosum dem Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase erzählt, der die Filmidee in die bundesrepublikanische Gegenwart übersetzt hat. Aufgrund seiner Erkrankung konnte Beyer selbst den Stoff nicht mehr inszenieren, so dass das Projekt schließlich bei Andreas Dresen landete.
In »Whisky mit Wodka« werden jedoch nicht nur die Höhen und Tiefen einer deutschen Filmproduktion verhandelt, sondern auch ein sehr viel tiefer gehender Diskurs über das Älterwerden, die Unmöglichkeit des Versagens und verpasste Lebenschancen geführt. Wolfgang Kohlhaase, der mittlerweile auf über fünfzig Jahre Berufserfahrung zurückblicken kann, beweist sich hier erneut als brillanter Drehbuchautor. Der Mann kann Dialoge schreiben wie kein anderer in der deutschen Filmlandschaft. Knapp, pointiert und trotzdem voller Poesie und Doppeldeutung. Und so verbirgt sich hinter den verwirrten Gefühlen von Cast und Crew auch ein gerüttelt Maß an Melancholie. Wenn Henry Hübchen zu seinem Monolog über die Rücksichtslosigkeit der Filmbranche ausholt, wird gleich der Zustand der Leistungsgesellschaft mitverhandelt, die keine Schwächen und kein Versagen zulässt. Überhaupt Hübchen. Grandios balanciert er den kriselnden Lebemann am Abgrund entlang. Komik und Rührung sind hier oft nur einen Lidschlag voneinander entfernt.
Nach seinem erfolgreichen Seniorenliebesdrama »Wolke 9« beschäftigt sich Andreas Dresen in »Whisky mit Wodka« mit der komischen, wenn auch weniger optimistischen Seite des Altwerdens. Dabei entwickelt Dresen eine ungeheure komödiantische Präzision. Alles sitzt hier an der richtigen Stelle. Die historischen Film-im-Film-Szenen kommentieren lustvoll die emotionalen Verschlingungen der erzählten Gegenwart und die Pointen werden nicht auf dem Silbertablett hereingetragen, sondern mit charmanter Flüchtigkeit unterspielt. »Whisky mit Wodka« ist eine echte Perle, wie man sie in der eher grobhumorigen deutschen Lustspiellandschaft nur selten findet.
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