Außerhalb der Eurozone

20-Pfund-Note

Nicht nur wegen seiner Küche und Staatsform, vom Nationalcharakter einmal ganz zu schweigen, gibt das Vereinigte Königreich dem Festlandeuropäer manches Rätsel auf. Auch sein Währungssystem ist dazu angetan, Verwirrung zu stiften. 

Bevor die Bank of England 1971 das Dezimalsystem durchsetzte, fanden sich in den Geldbörsen der Briten noch Münzen wie der Six- oder Half-Pence, der Shilling, Farthing sowie die Half-Crown oder die Crown. Auch den Florin, der zwei Shilling entsprach, gab es zeitweilig. Der Volksmund trug ein Übriges dazu bei, den Zahlungsverkehr zu verkomplizieren, erfand er doch so drollige Kosenamen wie den  Tanner (Sixpence) oder den Bob (Shilling). Heute muss man zwar nur noch mit Pennys, Pence und Pound rechnen. Aber in der Literatur und im Kino wesen die alten Währungseinheiten natürlich weiter. 

Beim Papiergeld hingegen ist die Gemengelage übersichtlicher. Da war keine Reform nötig, die Noten werden nur turnusmäßig mit neuen Motiven bedruckt. Sie sind ein Medium nationaler Distinktion, beschweören historischen Glanz. Mit ihnen lassen sich technische (Watts Dampfmaschine, Stephensons Rocket), wissenschaftliche (Newton, Darwin) und zivilisatorische (Florence Nightingale) Fortschritte feiern oder kann an literarische Größen (Shakespeare, Dickens), bedeutende Baumeister (Christopher Wren) oder Feldherren (Wellington) erinnert werden. Banknoten sind Indikatoren gesellschaftlichen Wandels. So ziert seit 2002 die Sozialreformerin Elizabeth Fry als erste Frau (außer der Queen, versteht sich) eine Pfund-Note. Das löste damals heftige Proteste aus; möglicherweise wird ihr Konterfei demnächst durch das von Winston Churchill ersetzt. In zwei Jahren wird ihr jedenfalls Jane Austen Gesellschaft leisten. Schade eigentlich, dass sich die Erfinder des Euro einer solchen Chance der Hommage begeben haben.    

Nun steht die Umwidmung der 20-Pfund-Note an. Bis vor einigen Jahren war auf ihr der Komponist Edward Elgar abgebildet, momentan ist es der Ökonom Adam Smith. Über seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin können die Bürger auf Geheiß der Bank of England selbst entscheiden – unter der Bedingung, dass die Person sich in den visuellen Künsten hervorgetan hat und tot ist. Das Nominierungsverfahren endet am kommenden Sonntag. Bisher gibt es knapp sechshundert Kandidaten, darunter Charlie Chaplin, Alfred Hitchcock, Madame Tussaud, die Designer Laura Ashley und Alexander McQueen sowie die Bildhauer Barbara Hepworth und Henry Moore. Auch Filmkünstler wie Laurence Olivier, Richard Attenborough und Anthony Minghella konnten sich qualifizieren. Auf den Gedanken, Michael Powell zu nominieren, scheint hingegen niemand gekommen zu sein; offenbar ist er immer noch zu verfemt. Bei Londoner Buchmachern standen vor einigen Wochen noch Hitchcock und Chaplin besonders hoch im Kurs, aber das Rennen ist noch offen. 

Tatsächlich wäre das ein schöner Anlass für Großbritannien, sich auf seine kinematografischen Meriten und Traditionen zu besinnen. Man könnte ihnen offizielle, ja höchste Weihen verleihen. Gut, dabei hätte eigentlich der Filmpionier William Freese-Green an erster Stelle stehen müssen, aber der wäre bei einem solchen Plebiszit wegen Mangels an Berühmtheit natürlich chancenlos gewesen. Die Bank of England könnte hier auch einen Gefallen erwidern, denn das Kino hat von anfang an gern und häufig deren Hervorbringungen gewürdigt. Man denke nur an Filmtitel wie »The Bad Sixpence«, »The Moon and Sixpence«, »Half a Sixpence«, »A Kid for Two Farthings« oder »The Million Pound Note«. Es wäre auch eine treffliche Gelegenheit, es dem frechen Franzosen Francois Truffaut heimzuzahlen, der stets behauptete, britisches Kino sei ein Widerspruch in sich selbst. Nur Chaplin und Hitchcock ließ er gelten. Aber die hatten ja auch ihre besten Zeiten in einer ehemaligen Kolonie. 

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt