Kritik zu Mein Weg nach Olympia
Niko von Glasow dokumentiert in seinem neuesten Film, wie er die eigenen Bedenken gegen Sport im Allgemeinen und die Paralympics im Besonderen überwand, und ist dabei den von ihm beobachteten Athleten ein idealer Begleiter
Eigentlich hätte dieser faszinierende Dokumentarfilm gar nicht entstehen dürfen.»Ehrlich gesagt«, bemerkt der Regisseur Nikovon Glasow gleich in einer der ersten Einstellungen,»weiß ich gar nicht, warum ich diesen Film mache.« Für den Filmemacher ist Sport überflüssig. Die Paralympics, die Olympischen Spiele für Sportler mit Behinderung, hält er für eine blöde Idee. Als ihm einer der Teilnehmeran den Paralympics 2012 in London entgegnet:»Sport ist eine der schönsten Sachen der Welt«, lächelt von Glasow nachsichtig.
Für Mein Weg nach Olympia hat der contergangeschädigte Niko von Glasow in den USA, Japan, Norwegen, Griechenland, Ruanda und Deutschland gedreht und mit Sportlern gesprochen, für die London 2012 die Erfüllung eines Traums bedeutete. Irgendwann im Laufe der Dreharbeiten muss etwas passiert sein mit dem skeptischen Filmemacher. Er erlaubtes einem Kameramann Hajo Schomerus, die Schönheit der sportlichen Bewegungen intensiv und in Zeitlupe zu feiern. Sie werden zu Ikonen: die einbeinige Schwimmerin Christiane Reppe im Wasser, Aida Dahlen an der Tischtennisplatte, Matt Stutzman beim Bogenschießen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass der unbeirrbare Wahrheitssucher von Glasow diesen Menschen ganz nahe gekommenist; am Ende war vielleicht sogar ein bisschen Liebe im Spiel. Selbst die Eröffnungsfeier der Paralympics in London mitköniglicher Familie, Pathos und Show dokumentiertder Film ohne ironische Brechung.
Bekannt wurde Niko von Glasow mit Edelweisspiraten (2004) und seinem Dokumentarfilm NoBody’s Perfect, für den er 2009 den Deutschen Filmpreis erhielt. 2012 hat er mit Alles wird gut eine exemplarische Geschichte von menschlichen Sehnsüchten erzählt. Ein Theaterensemble aus Menschen mit und ohne Behinderung wollte auf der Bühnemit einem selbst erarbeiteten Stück Erfolge feiern. Und der Regisseur war der Spielleiter, der das Innerste nach außen kehrte: Wünsche, Aggressionen und Ängste.
In seinem neuen Film beleuchtet von Glasow die Motive hinter der Besessenheit, mitder ein an Muskeldystrophie leidender Boccia-Spieler aus Griechenland oder ein Sitzvolleyball-Team aus Ruanda sich für die Paralympics vorbereiten. Die Psychologie der permanenten Grenzüberschreitung will der Film erklären. Den Griechen Grigorius, genannt Greg, konfrontiertvon Glasow mit dem Thema Tod und mit der Frage: »Was ist das Schlimmste, dasdir passiert ist?« Die Männer aus Ruanda müssensich auf Drängen von Glasows mit dem Bürgerkriegstrauma ihres Landes auseinandersetzen. Christiane Reppe erläutert ihm, wiesie mit fünf Jahren an einem Tumor litt und ihr Bein verlor. Aida, die sich mit Liegestützen quält, fragt er: »Macht dir das Spaß?
«Wunsch und Wirklichkeit kommen für die Sportler in den Wettbewerben nicht immer zur Deckung. Die Kamera zeigt Siege und Niederlagen auch in den Gesichtern der Angehörigen.In diesen entscheidenden Augenblicken beweist der Dokumentarfilmer von Glasow viel Empathie. Von Glasow ist der perfekte Begleiter der von ihm porträtierten Sportler:unsentimental, aber sensibel; kritisch, aberoffen. Er fordert sie heraus, aber mit Leichtigkeitund Witz.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns