Kritik zu Birdwatchers

© Pandora

Besetzt mit indigenen Laiendarstellern und professionellen Schauspielern, zeigt Marco Bechis' Film den Konflikt zwischen Eingeborenen und Großgrundbesitzern in Brasilien aus beiden Perspektiven

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Die Touristen, die auf einem Fluss durch den Amazonas-Dschungel fahren, zahlen Geld dafür, seltene Spezies vor die Ferngläser und Kameras zu bekommen. Rechts bunte Vögel mit exotischen Namen, links halb­nackte und bemalte Männer und Frauen, die am Ufer stehen und vielleicht gleich mit ihren Bögen ein paar Pfeile über das Wasser schicken. Stumm schauen sich Touristen und Eingeborene an, dann ist das Boot vorbei. Die Indianer gehen zurück durch den Wald, zu einem Jeep auf einer Lichtung, um sich das Geld für ihre Aufführung zu holen. Schon wieder weniger Lohn als das letzte Mal. Die Zeiten sind hart.

Der Perspektivwechsel in der Anfangsszene von Birdwatchers macht in wenigen Einstellungen klar, worum es dem italienischen Regisseur Marco Bechis geht: nicht um die titelgebenden Touristen, sondern um die Angehörigen des brasilianischen Stammes der Guarani-Kaiowá – und um ein Bild, das ihnen gerecht wird. Deren Lebensumstände, das zeigen die folgenden Szenen, haben mit der Aufführung am Ufer lediglich einen rein ökonomischen Zusammenhang. Ihr Stammesgebiet im Bundesstaat Mato Grosso do Sul befindet sich in der Hand von Großgrundbesitzern, die ihre Wälder für Felder zum Anbau von genveränderten Pflanzen gerodet haben. Die enteigneten Indigenas leben verarmt in Reservaten, die Selbstmord- und Alkoholismusrate ist hoch.

Das Großartige an Birdwatchers ist nun, dass Marco Bechis sehr genau weiß, dass auch dieser elende Zustand der »Pueblos Indígenas« ebenso zu einem Klischee-Bild werden kann wie die Performance für die Touristen. Die Antwort des Regisseurs auf dieses Problem ist eine zweifache. Zum einen zeugt seine Erzählung vom Häuptling Nadio, der mit einigen Getreuen das Reservat verlässt und sich in einem Akt der Selbstbehauptung auf ihrem alten Stammesgebiet niederlässt, von großer Nähe zu den Protagonisten. Sämtliche Indigena-Rollen wurden mit Angehörigen indigener Gemeinschaften aus der Region besetzt. So stülpt Birdwatchers seinen Protagonisten keine Ideen über, sondern lässt sie in ihren ganz eigenen Sprechweisen und Körperbewegungen ihre religiösen und Freizeitpraktiken, ihren Humor und ihre Ängste, ihre politische Wut und ihr sexuelles Verlangen zum Ausdruck bringen.

Zum anderen erzählt Bechis vom sich zuspitzenden Konflikt zwischen den Indigenas und der Familie des Großgrundbesitzers, auf dessen Land sie sich niedergelassen haben, nicht mit simplem Gut-und-Böse-Schema, sondern er zeigt, wie viel Austausch es zwischen den beiden so unterschiedlichen Lebenssphä- ren auf der alltäglichen Ebene gibt. Birdwatchers ist ein Film elementarer Kontraste, zwischen dem kahlen Feld der Landbesitzer und dem dichten Wald der Indigenas, zwischen dem System des Geldes und dem System religiöser Bräuche, zwischen dem Lärm von Stadt und Autoradios und dem dichten Klangteppich der Vogelstimmen, die wie ein Grundrauschen der Welt in ruhigen Momenten hörbar werden.

Doch die Sphären sind weniger klar getrennt, als es den Anschein haben mag. Nicht nur ökonomisch und technologisch, auch im Reich der Fantasien und Bedürfnisse hat die Moderne Einzug gehalten im Leben der Indigenas, die Jugendlichen träumen von den schönen Waren in den Städten, und auch zwischen den Geschlechtern gibt es viele Anziehungspunkte. Vor allem Fluss und Wald sind Orte der Begegnung, auch der unheimlichen Art. Hier herrscht nicht nur ein böser Geist, vor dem die Indigenas sich fürchten, sondern hier kreuzen sich ihre Wege mit den Weißen; man scherzt, flirtet, fährt gemeinsam Motorrad und bewundert den Körper des anderen.

Frei von Machtverhältnissen sind aber auch diese unschuldig scheinenden Blicke nicht. Als zwei Mädchen aus reichem Hause am Fluss den Indianer Osvaldo treffen, betrachten sie ihn lüstern-herablassend. Als zwei Indigenas hinzukommen, dreht sich das Verhältnis um, auch für den Kinozuschauer: Plötzlich schaut man mit den Indianern herablassend auf die Mädchen, die sich in ihren Bikinis nun sichtlich unwohl fühlen. Diese Umkehrung des Blicks ist ein seltenes Wunder im Kino. Birdwatchers ist es gelungen.

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