Kritik zu Amok – Hansi geht's gut
Ein wortkarger Film über einen einsamen Mann, der das Leben nicht mehr aushält: Zoltan Paul (Gone, Frauensee) erzählt in seiner vierten Regiearbeit eine Geschichte aus der modernen Großstadtwelt
Lorenz Fuchs (Tilo Nest) ist ein Einzelgänger. Lustlos und ohne Eile isst er sein Frühstück. Er lebt zwischen unausgepackten Kisten in der Wohnung seiner Mutter, die er nicht zuletzt deshalb ins Altenheim gebracht hat. Nebenan vögelt seine Frau Zufallsbekanntschaften von der Straße. Seine Firma wurde gerade aufgekauft und er ist in einem grandiosen Missverständnis befördert worden. Zukünftig soll er als Personalchef über tausend Mitarbeiter betreuen. Dabei fehlt ihm die geschäftsmäßige Kaltblütigkeit, die unbeugsame Profitorientierung seines Chefs (Charly Hübner in einem grandiosen Kurzauftritt) völlig. Seine Verschlossenheit hat andere Gründe. Die dominante Mutter, die jeden Schluck Bier des eigentlich trockenen Alkoholikers schon durchs Telefon wahrnimmt, die gescheiterte Ehe mit einer temperamentvollen Frau und die tägliche Routine zwischen Park- und Arbeitsplatz haben ihn zermürbt. Die einsame Feier der Beförderung in einem chinesischen Restaurant führt zum Rückfall. Im Alkoholwahn besorgt er sich eine Pistole und schießt. Über dem Schwarzbild am Schluss kreisen fragend die Gedanken.
Der Schauspieler und Regisseur Zoltan Paul, in Ungarn geboren und als Kind mit seiner Familie nach Österreich emigriert, konzentriert sich in seinem vierten Film ganz auf die Hauptfigur. In langen Einstellungen beobachtet die Kamera den Schauspieler Tilo Nest, der Fuchs mehr im Wortsinn verkörpert als spielt, und bewegt sich langsam um ihn herum. In nur zehn Tagen wurde der Film gedreht, das Drehbuch war knapp und eher ein Leitfaden als eine durchdachte Geschichte. Man merkt dem Film an, wie gut er seine Figur kennt, wie sehr er sich bemüht, den eisernen Ring aus Demütigung und Wiederholung zu zeigen, ohne darüber zu reden. Die Sprachlosigkeit rückt die Brüchigkeit der Figur ins Zentrum. Verloren in der Großstadt, einsam auf einer grandiosen Dachterrasse mit dem toten Hansi im Vogelbauer fällt Fuchs langsam in sich zusammen.
Das Problem des Films aber beginnt mit seiner Handlung: In dem Moment, in dem Amok – Hansi geht's gut von der statischen Darstellung seines Helden abweicht, wird dieser unglaubwürdig. Die Wandlung vom braven Buchhalter zum blutrünstigen Amokläufer scheint nämlich an lediglich einem Glas Bier zu viel zu hängen und kommt damit extrem unmotiviert daher. Auch in den Bildern schlägt sich diese Unsicherheit nieder. Mit der Pistole in der Hand wirkt Tilo Nest plötzlich wie ein Fremdkörper im eigenen Film, und die unbeholfene Art, mit der er dann um sich schießt, macht das noch deutlicher. Was bleibt, ist das Schwarzbild. Ganz anders als in seinem furiosen ersten Langfilm Gone, der ebenso existenziell mit seinen Figuren umging, wird hier eine untertourige Spannung aufgebaut, die sich leider am Schluss nicht auflöst. Der letzte Schuss beendet zwar den Film, die Geschichte jedoch ist an diesem Punkt keinesfalls auserzählt. In diesem Fall wäre einmal mehr eindeutig mehr gewesen.
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