Kritik zu Abgebrannt
Lady Madonna: Das Sozialdrama, Regiedebüt von Verena S. Freytag, porträtiert eine alleinerziehende dreifache Mutter aus Berlin, die in eine Mutter-Kind-Kur verschickt wird
Als Regisseurin Verena S. Freytag sich mit ihrem Baby auf den Spielplätzen im Berliner Wedding aufhielt, fragte sie sich, wie die Frauen mit mehreren Kindern klarkommen. Aus ihren Recherchen entwickelte sich das berührende und ambivalente Porträt einer alleinerziehenden Mutter, das mit seiner illusionslosen Botschaft dazu auffordert, dieses individuelle Schicksal auch als Sozialstudie mit politischer Bedeutung zu rezipieren.
Maryam Zaree verkörpert mit schmerzlicher Intensität die junge, alleinerziehende Pelin, die drei Kinder von drei Vätern hat; das kleinste kann noch kaum laufen. Sie liebt sie, ist aber total überfordert. Die Hartz-IV-Empfängerin arbeitet schwarz in einem Tätowierstudio. Weil sie wegen Ärgers mit ihrem ältesten Sohn öfter in die Schule muss, verliert sie den Job. Ihr zweiter Sohn nascht Pillen, die er aus der Jackentasche ihres Liebhabers, des Drogendealers Edin, gekramt hat. Das Kind stirbt fast, und Pelin soll das Sorgerecht entzogen bekommen. Doch die Richterin gibt der jungen Frau, die bei diesen Aufregungen einen Kollaps erleidet, noch eine Chance und schickt sie auf eine Mutter-Kind-Kur an der Nordsee.
Aus der Konfrontation der türkischdeutschen Großstadtpflanze mit eher behüteten Frauen und den straffen Stundenplänen der Klinik zieht der Film ironische Momente. Pelin, ebenso verletzlich wie renitent, macht sich gleich unbeliebt, weil sie »Walking«-Kurse und sonstige Aktivitäten schwänzt – und abends heimlich loszieht, um unter der Dorfjugend Tattoo-Kunden zu gewinnen. Doch es handelt sich eben nicht um eine entspannte Prekariatskomödie à la Flodders, in der mit vitalem Prollcharme alles wieder gut wird. Pelins zögerliche Freundschaft mit Zimmernachbarin Christa wird von Edins Drohanrufen untermalt, und man ahnt Schlimmes.
Die Konkurrenz zwischen dem mal freigiebigen, mal gängelnden Vater Staat, repräsentiert von einem Dickicht aus Hilfsangeboten und Heerscharen von Betreuern, und jenen falschen Märchenprinzen, denen Pelin zutraut, sie aus der Bredouille zu ziehen (statt noch tiefer hinein), ist auch für den Zuschauer stressig mitzuerleben. So zeichnet der Film einen Teufelskreis, in dem Pelin stets zum Opfer arg konstruierter Umstände stilisiert wird – statt sie als erwachsene Person zu zeigen, die, durchaus nachvollziehbar, bequeme Entscheidungen trifft. Dass das Mitleid für diese attraktive junge Frau endlich ist, wird spätestens dann klar, wenn der Kinozuschauer bei der Nachricht, dass Pelin von Edin schwanger ist, entnervt aufstöhnt. Es gibt einige dieser »Herr, schmeiß Hirn«-Momente; letztlich weigert sich das Drama, zum psychologischen Kern von Pelins Misere zwischen Kindern, Sehnsüchten und Sozialstaat vorzustoßen. Kinder bekommt, wer nicht rechnen kann oder wer nicht rechnen muss, so lautet ein sehr deutsches Bonmot. Sehr deutsch ist auch der zu Filmbeginn nebenbei hingeworfene Halbsatz, dass Pelin wegen mangelnder Betreuungsmöglichkeiten nicht Vollzeit arbeiten gehen könne. Dass Pelins staatliche Aufpasserin diesen Misstand wie ein Naturgesetz verkündet, sagt eigentlich schon alles.
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