Kritik zu The Thing
Eine klassische SF-Horrorerzählung aus den Dreißigern macht eine neue Mutation durch. Die Digitalisierung hat der Geschichte vom gestaltwandelnden Alien, das im polaren Eis einen Raumschiff-Crash überlebt hat, freilich nicht gerade gutgetan
John Carpenters Das Ding aus einer anderen Welt – The Thing war 1982 ein Meilenstein des Spezial-Effekt-Kinos. Hier sollte all das Monströse sichtbar werden, das Ridley Scott kurz zuvor bei seinem für das Genrekino der 80er Jahre so stilprägenden Alien im Dunkel verborgen ließ. Dass es sich bei Carpenters Ding um ein Remake des gleichnamigen wegweisenden Science-Fiction-Klassikers aus dem Jahr 1951 handelte, war auf den ersten Blick kaum zu bemerken. Doch basiert das Konzept der Bedrohung durch Das Ding deutlich auf Motiven des Kalten Krieges. Es ist der Feind von Außen, ein bösartiger Eindringling aus einer fremden Welt, der unsere Gesellschaft zu unterwandern und infizieren droht, bis wir selbst Freunden und Familienangehörigen nicht mehr trauen können.
Der erst 22-jährige Maskenspezialist Rob Bottin und sein überschaubares Team arbeiteten damals für ein Jahr lang sieben Tage die Woche in den Universal-Studios an den handgemachten Monstereffekten und ließen schließlich vor den Augen eines unvorbereiteten Publikums infizierte Schlittenhunde platzen, bezahnte menschliche Bauchdecken aufbrechen und aus abgetrennten Köpfen Spinnenbeine wachsen. Doch die überbordende Latex- und Schleim-Orgie fiel seinerzeit bei Kritik und Publikum durch und fand erst bei der späteren Auswertung auf Videokassette ihr Publikum. Heute gilt Das Ding aus einer anderen Welt als kompromissloser Klassiker, der erst kürzlich in Deutschland vom Index gestrichen und ohne Kürzungen ab 16 Jahren auf Blu-ray wieder veröffentlicht wurde.
Jetzt, abermals 30 Jahre später, präsentiert der niederländische Werbefilmer Matthijs van Heijningen ein Prequel zu Carpenters Film, das in Wirklichkeit ein Remake mit nahezu identischem Plot und Szenario ist. Ein Team von norwegischen Wissenschaftlern entdeckt in der Antarktis das Wrack eines Raumschiffs und unweit davon ein tiefgefrorenes außerirdisches Wesen, das die Fähigkeit hat, sich in eine genaue Kopie eines jeden Lebewesens zu verwandeln. In der isolierten Forschungsstation beginnt der parasitäre Bodysnatcher nun, die Forscher zu dezimieren.
Im digitalen Zeitalter sind die Deformationen, die der außerirdische Formwandler dem menschlichen Körper antut, natürlich von programmierenden Schreibtischtätern im Computer hergestellt und damit alles andere als bahnbrechend. Schätzt man Carpenters Film auch wegen Bottins innovativer Effekt-Handarbeit, muss einem die »saubere«, digitale Neuinterpretation dreist und wie ein Verrat am Original vorkommen. So bleibt trotz des spürbaren Respekts vor der Vorlage die Wahrhaftigkeit des Monsters auf der Strecke. Einzige Innovation im Universum von The Thing ist die Einführung einer starken Frauenfigur. Die anfangs noch scheue amerikanische Paläontologin Dr. Kate Lloyd (Mary Elizabeth Winstead) kommt den Norwegern zu Hilfe und stellt sich bis zuletzt dem Monster entgegen. Aber auch dieses im selbstreferenziellen Genrekino inzwischen oft variierte Figurenprofil ist einfach nur dem von Sigourney Weaver aus Alien entlehnt.
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