Kritik zu The Voices
Marjane Satrapis Hollywooddebüt ist eine ironische Hommage an den Serial-Killer-Film, die sich allerdings nicht zwischen schwarzer Komödie und düsterer Charakterstudie entscheiden kann
Dass mit Jerry Hickfang (Ryan Reynolds) etwas nicht stimmt, ist in The Voices relativ früh klar. Während der Arbeit ist er stets eine Spur zu gut gelaunt, gegenüber seinen Kollegen verhält er sich übertrieben bemüht, und selbst im Planungsstab für die jährliche Betriebsfeier wirkt er übermotiviert. Jerrys Umgangsformen entsprechen seinen idealisierten Vorstellungen von Normalität, und entsprechend überzeichnet gestaltet sich auch die Wahrnehmung seiner Umwelt. Im rosafarbenen Arbeitsoverall erinnert er an einen Teletubby, und wenn ihm sein heimlicher Schwarm Fiona (Gemma Arterton) aus der Buchhaltung begegnet, umflattern sie Cartoon-Schmetterlinge. Jerrys Realitätsverlust offenbart The Voices, wenn er abends in seine Wohnung über der örtlichen Bowlingbahn heimkehrt, die er sich mit dem Kater Mr. Whiskers und dem Hund Bosco teilt. Dann führt Jerry lange Dialoge mit seinen Haustieren, wobei der zynische Kater die Rolle des bösen Einflüsterers übernimmt, dem der träge Bosco außer Floskeln wenig entgegenzusetzen hat. Wider besseres Wissen lädt Jerry die snobistische Fiona auf ein Date ein, das natürlich schrecklich schiefläuft. Am Ende der Nacht rammt er ihr »versehentlich« ein Messer in den Bauch. Mr. Whiskers rät ihm, die Leiche zu entsorgen. Bald stapeln sich in Jerrys Junggesellenwohnung Tupperdosen.
The Voices ist nach dem Animationsfilm Persepolis bereits der dritte Realfilm der französischen Kinderbuchautorin und Zeichnerin Marjane Satrapi – und der erste, der nicht auf ihrem Drehbuch basiert. Vielleicht lassen sich so die abrupten Wechsel in der Tonalität des Filmes erklären, der als verschrobene Liebesgeschichte mit einem mental derangierten Helden beginnt, Züge einer schwarzen Komödie entwickelt und sich schließlich als düstere Charakterstudie eines Serienkillers entpuppt. Auf dem Papier liest sich das sogar ganz interessant, zumal es Ryan Reynolds in der Rolle des einfältigen Normalos tatsächlich schafft, dass man für seine Figur Sympathie empfindet – selbst wenn er gerade dabei ist, das nächste weibliche Opfer zu zerstückeln. Satrapi führt ihre Zuschauer lange auf eine falsche Fährte, indem sie zwei Drittel des Films konsequent aus der Sicht Jerrys erzählt (was auch die stilisierte Ausstattung erklärt). Erst als sich seine Arbeitskollegin Lisa (Anna Kendrick), die Jerrys unbeholfene Art ebenfalls sympathisch ist, in seine Wohnung verirrt, offenbart The Voices das ganze Ausmaß seines Wahnsinns.
Als Hollywooddebüt mit prominenter Besetzung muss das Drehbuch von Fernsehautor Michael R. Perry für Satrapi verlockend geklungen haben. Leider lässt sie in The Voices das Gespür vermissen, die unterschiedlichen Genres zu einer runden Geschichte zu verbinden. Manche der Witze, etwa die Musicaleinlage am Ende, sind geschmacklich grenzwertig, was auch nicht mehr als Hommage an das Splattergenre zu rechtfertigen ist. Als ironische Variation des Serial-Killer-Themas enttäuscht The Voices trotz interessanter Ansätze.
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