Kritik zu The Best Exotic Marigold Hotel
Die glorreichen Sieben als bunt zusammengewürfelte Rentnergang. John Madden lässt in seinem Schauspielerfilm britische Pensionäre wie Maggie Smith, Judi Dench und Tom Wilkinson einen unruhigen Ruhestand in Indien erleben
Vielleicht ist es der letzte Aufbruch. Mehr niedergeschlagen als erwartungsfroh sitzen sie im Wartesaal eines Londoner Flughafens: Sieben Engländer im höheren Alter; sie haben einen Flug gebucht nach Indien, um dort möglicherweise ihren Lebensabend zu verbringen in einem Hotel mit dem verführerischen Namen Best Exotic Marigold. Sieben ganz und gar unterschiedliche Menschen, drei Frauen, zwei Männer und ein Ehepaar. Fremde mit demselben Ziel, die der Zufall zusammengewürfelt hat. Natürlich erinnern sie ein wenig an die glorreichen Sieben, so wie sie John Madden ironisch in Szene setzt am Airport. Abgekämpfte glorreiche sieben, zermürbt vom Alltag, von der Realität eines zumeist durchschnittlichen Lebens.
John Madden, der den Film nach einem Roman von Deborah Moggach inszeniert hat, steht seit »Shakespeare in Love« für ein gediegenes britisch-internationales Kino, in dem englische Eigenheiten einer neuen Betrachtung unterzogen werden. The Best Exotic Marigold Hotel passt also gut in sein OEuvre. Der Film ist tatsächlich ein Feelgoodmovie der gehobenen Art, in dem viel eintrifft, was man erwartet hat. Der »culture clash« zwischen altem England und jungem Indien wird beinahe in eine Klamotte verwandelt, wobei man sich fragt, wer jetzt eigentlich wen »kolonialisiert«. Aber Madden überrascht dann doch: Aus der konventionellen Struktur des Films gewinnt er Zwischentöne, Nuancen, manchmal eine erstaunliche Komplexität.
Im Marigold-Hotel angekommen, müssen die sieben Alten feststellen, dass es sich in einem halbverfallenen Zustand befindet, zusammengehalten nur von dem nervösen Optimismus seines jungen Besitzers Sonny (Dev Patel, bekannt aus Slumdog Millionär). Die Alten müssen zudem erkennen, dass Indien kein Rentnerparadies ist wie Florida, sondern ein einziges Provisorium. Ein Provisorium, das dem Leben entspricht, auch ihren eigenen Lebenserfahrungen. Halbverfallen oder noch nicht ganz fertig: so ist beispielsweise das Leben von Graham (Tom Wilkinson), einem ehemaligen Richter, der erst jetzt ganz und gar zu seiner Homosexualität stehen kann. Halbverfallen oder noch nicht ganz fertig: so ist auch das Leben von Evelyn (mit ruhiger Autorität gespielt von Judi Dench), einer Hausfrau, die sich erst hier dem Neuen öffnen kann, einen Blog schreibt und das moderne Indien der Callcenter entdeckt. Die vielleicht schönste Figur verkörpert Bill Nighy, der nicht rechtwahrhaben will, dass seine langjährige Ehe gescheitert ist. Als melancholischer Betrachter Indiens lernt er das Provisorische lieben.
»Culture clash« hin oder her, Madden verknüpft bald geschickt die Probleme der Alten mit denen der jungen Inder, er vermischt gekonnt ein mythisches mit einem Bollywood-Indien. Dabei gelingt ihm eine wirklich schöne Passage. Der junge Sonny und seine Freundin cruisen auf einem Motorroller durch die Stadt und begegnen Bill Nighy und Judi Dench ebenfalls auf einem Scooter, förmlich durch das hektische Treiben schwebend. Ein letzter Aufbruch, ganz ohne Zweifel.
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