Kritik zu The Music Never Stopped

© Senator

2011
Original-Titel: 
The Music Never Stopped
Filmstart in Deutschland: 
29.03.2012
L: 
105 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Ein Vater-Sohn-Drama nach einer Fallstudie von Oliver Sacks um eine magisch anmutende Heilung durch Musik, in dem das Genre Familienfilm mit einem Stück Neurowissenschaft kombiniert wird

Bewertung: 5
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 1)

Von Musik geht ein Zauber aus. Jeder kennt ihn, jeder verlässt sich auf ihn, doch wirklich erklären können ihn nur wenige. In seinem großartigen Buch »Die Welt in 6 Songs« hat Daniel Levitin die Wirkungsweise der Musik im Gehirn beschrieben. Was aber geschieht mit der Musikwahrnehmung, wenn das Gehirn in seiner Funktion eingeschränkt ist? Der Neurologe Oliver Sacks hat sich sein Berufsleben lang mit Hirnkrankheiten beschäftigt, die als unheilbar galten, und zum Teil überraschende Erfolge erzielt. Der Film Zeit des Erwachens mit Robin Williams und Robert De Niro erzählte davon. »The Music Never Stopped« nach der Fallstudie »The Last Hippie« allerdings ist wesentlich komischer und vor allem unpathetischer.

Jim Kohlberg verbindet drei Komplexe mit erstaunlicher Souveränität. Da ist zuerst ein Vater-Sohn-Konflikt, dann ein medizinischer Befund und der Streit um mögliche neue oder konservative Therapien und schließlich der Selbstfindungsprozess eines noch jungen Mannes, der seine Situation erkennen und damit leben muss.

Musik verbindet Gabriel (Lou Taylor Pucci) zunächst mit seinem Vater Henry (J. K. Simmons). Es sind die 50er Jahre, Bing Crosby, Nat King Cole und Perry Como bewegen Herzen und Tanzbeine der jungen Paare. Bei Vater und Sohn läuft das Radio den ganzen Tag. Bis Gabriel dann seine eigenen Bands entdeckt, mit Bob Dylan, Buffalo Springfield und den Grateful Dead gegen Vietnam protestiert und damit auch die Werte des Vaters infrage stellt.Nach einem Streit verlässt er das Haus und sieht seine Eltern 20 Jahre lang nicht mehr.

Dann, nach zwei Jahrzehnten, kehrt Gabriel als versehrter Mann zurück. Körperlich gesund, aber geistig apathisch, leidet er an einem Hirntumor, der sein Gedächtnis und seine Kommunikationsbereitschaft stark beeinträchtigt. Bis eine Therapeutin (Julia Ormond) entdeckt, dass die Musik, die ihm einst so wichtig war, Erinnerungen zurückholt, ihn aufweckt und schwelgen lässt in der lange nicht nur guten alten Zeit. »Warum muss es ausgerechnet diese Musik sein«, sagt der sture Vater, »diese Musik hat ihn zerstört.« Doch als er sich darauf einlässt, entdeckt er nicht nur eine neue musikalische Welt, sondern findet auch einen Weg zurück zu seinem Sohn.

Die große Leistung dieses Films ist es, die rührende Vater-Sohn-Geschichte ohne Peinlichkeiten zu erzählen. Der Vater kämpft mit sich, seiner Frau, seinem Stolz, während der Sohn die Welt aus den Augen verliert. Und der grandiose Soundtrack schafft nicht nur eine Verbindung zwischen Vater und Sohn, sondern auch zum Zuschauer. Und Grateful Dead 16 Jahre nach dem Tod von Sänger Jerry Garcia dank digitaler Technik noch einmal live auftreten zu lassen, mit einem ihrer letzten Hits »Touch of Grey« (in dem es so vielsagend heißt: »I will survive«), ist ein besonderer Coup.

Musikdramen sind stets hoch emotional. Hier allerdings geht es genau darum – um die Frage, wie Emotionen entstehen. Die Frage, warum Musik Sehnsucht auslöst, wird hier neurowissenschaftlich beantwortet, ohne dass sich der Film in Erklärungen verliert. Nur wenige Werke erzählen ihre tragische Geschichte so leichthändig.

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