Kritik zu The Lady – Ein geteiltes Herz
20 Jahre Hausarrest: Statt Politik nachzubilden, verbeugt sich Luc Besson in seinem Biopic vor dem Lebenswerk von Aung San Suu Kyi, der langjährigen Hoffnungsträgerin der Demokratie in Birma
Es ist wahrscheinlich einmalig in der Filmgeschichte, dass ein Film – rein zufällig – pünktlich zur Unterstützung eines Wahlkampfes herauskommt. The Lady ist zwar in Myanmar (früher Birma) selbst verboten, ist aber seit Februar im gesamten asiatischen Kinoraum angelaufen und wird zwangsläufig den Blick auf ein Land lenken, das seit fünfzig Jahren durch wechselnde Militärregimes völlig von der Außenwelt abgeriegelt war.
Anfang Dezember 2011 waren plötzlich die Bilder von Außenministerin Hillary Clinton und der myanmarischen Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi in den Medien. Strahlende Gesichter, weiße traditionelle Kleidung, Blumen im Haar, politische Fassade, die Normalität suggeriert, wo aber rein gar nichts als »normal « anzusehen ist. Kurz darauf hörte man von dem Biopic The Lady, das im Jahr zuvorin Diskretion in Thailand gedreht und ausgerechnet von Actionspezialist Luc Besson realisiert worden war. Zu den eigentlichen Drahtziehern gehören aber wohl dessen Ehefrau, Koproduzentin Virginie Besson-Silla, und der frühere Actionstar Michelle Yeoh, die der Heldin auch noch verblüffend ähnlich sieht.
Die Politikerin Aung San Suu Kyi ist eine lebende Legende – spätestens seit ihr 1991 der Friedensnobelpreis zuerkannt wurde. In Oslo nahmen damals ihr Ehemann, der britische Wissenschaftler Michael Aris, und ihre beiden Söhne aus Oxford die Ehrung stellvertretend entgegen. Sie selbst hütete sich, Birma zu verlassen, aus berechtigter Sorge, dass man sie anschließend nicht mehr würde einreisen lassen. Sie stand als Vorsitzende der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) seit 1989 unter Hausarrest, der Wahlsieg der NLD 1990 wurde von der Regierung annulliert. Suu Kyi war gefangen wie ein Vogel im Käfig, abgeschottet von der Welt und jeglichem Außenkontakt. Die Preisverleihung hörte sie allein auf dem ins Haus geschmuggelten Transistorradio. Der Film stellt diese Szenen penibel nach – die wahre Tragik der Situation kann er aber so nicht nachvollziehen.
Am 13. November 2010 ging das Martyrium der heroischen Politikerin, die das Schicksal ihres Volkes über ihr persönliches Glück stellte und fast zwanzig Jahre in Haft oder unter Hausarrest verbrachte, überraschend zu Ende. Der vorläufige Höhepunkt der politischen Entwicklung in Myanmar, wo eine neue Militärregierung seitdem auf Öffnung und auf eine demokratische Entwicklung hinauswill: Die Oppositionsführerin Suu Kyi darf und soll im April bei den Nachwahlen für einen Sitz im Parlament kandidieren.
Der Frau mit dem eisernen Willen, die im Volksmund »The Lady« genannt wird – ein demütiges, an Gandhi geschultes Gegenbild zur »eisernen« Mrs. Thatcher – war dieses ungewöhnliche Schicksal so gut wie in die Wiege gelegt. Die Generalstochter war erst zwei Jahre alt, als sie 1947 ihren Vater, damals Hoffnungsträger eines neuen souveränen Staates, durch einen Militärputsch verlor. Eine kurze, aber drastische Rückblende setzt in The Lady erste Akzente: der Übergang von der Märchenstunde aus 1001 Nacht zum blutigen Massaker à la Peckinpah könnte drastischer nicht sein. Der weitere Erzählverlauf – ein Zeitsprung von vierzig Jahren zum krebskranken Michael Aris (David Thewlis) in Oxford, der seine Frau nicht wiedersehen wird – betont dann leider die melodramatischen Aspekte, statt detaillierter auf die politischen Ziele Suu Kyis oder die innenpolitischen Verhältnisse Myanmars einzugehen. Besson, kein Regisseur, der auf Innerlichkeit oder psychologische Auslotung seiner Figuren bisher Wert gelegt hätte, sondern seine Helden und Heldinnen in Comicmanier über die Leinwand scheuchte, hat sich auch hier für eine Art Höhepunktdramaturgie mit pittoresken Einlagen entschieden, die den handlungsarmen und halbwegs dokumentarisch angelegten Film auf Trab halten.
Die Herausforderung einer solchen Lebensgeschichte, die von Trennung, Einzelhaft, Entsagung und der fast übermenschlichen inneren Kraft einer Kämpferin geprägt ist, wird dadurch an eine Hagiographie verschenkt. Und trotzdem stockt der Atem, wenn diese Frau ungerührt die auf sie gerichteten Gewehrläufe einer Militärbarrikade durchschreitet – was sich tatsächlich so zugetragen haben muss.
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