Kritik zu Das Hausmädchen
Im sexy Remake eines koreanischen Filmklassikers von 1960, in dem ein verführerisches Hausmädchen eine Familie bedroht, sind die Rollen abgeändert
Liest die gut ausgehaltene Gattin hier tatsächlich Simone de Beauvoirs Emanzipationsklassiker »Das andere Geschlecht«, während das Hausmädchen im Hintergrund feudelt? Claude Chabrol würde solche expliziten Interpretationshilfen in seinen gesellschaftskritischen Filmen nie auslegen. Doch dieser koreanische Genrefilm ist so direkt wie die Faust ins Auge. Anfangs kommt er wie ein Konzentrat aus Claude Chabrols und Hitchcocks galligsten Momenten daher. Unverblümt wird das Zusammenspiel von Geld, Macht, Sex, kurz: die Geschlechterökonomie demonstriert.
Eun-yi wird als Kindermädchen einer sehr reichen Familie engagiert. Die graue Eminenz des Haushaltes ist die langjährige Hausdame Mrs. Cho. Sie weiß alles, sieht alles, hasst ihre Herrschaft inbrünstig, erfüllt ihre Pflichten aber tadellos. Demnächst wird Hausfrau Haera Zwillinge gebären; bis dahin muss sich Eun-Yi um die kleine Tochter kümmern, die noch mehr sieht und weiß und für ihr neues Kindermädchen nichts Gutes ahnt. Der attraktive Hausherr Hoon agiert denn auch wie ein Feudalherrscher und legt sich bald zu Eun-yi ins Bett, bzw. lässt sie vor ihm auf die Knie gehen. Nun tritt die Schwiegermutter auf den Plan, die in Mrs. Cho eine heimliche Spionin hat. Die Hausdame weiß von Eun-yis Schwangerschaft, noch bevor das Mädchen selbst sie bemerkt. Angesichts der Erbenkonkurrenz will die Schwiegermutter ihre Pfründe mit allen Mitteln verteidigen.
Dienstpersonal in Stöckeln und kurzen Röcken, Kronleuchter als Todesfallen, dekorierte Frühstücksmenüs, eine Edel-Espressomaschine, für die mancher seinen rechten Arm geben würde, ein sexy Patriarch, der auf dem Flügel Beethoven spielt und dem die Frauen des Hauses beim morgendlichen Abschied Spalier stehen: es ist einfach herrlich, mit wie viel Sorgfalt und kundigem Detail dieses fiese Psychodrama den goldenen Käfig ausschmückt. Die exklusive Villa wird zu einem mit Hochkultur, Luxus und Erotik aufgeladenen, alptraumhaften Treibhaus. Vier Frauen kreisen um einen allmächtigen Versorger und kämpfen außerhalb seines Gesichtsfeldes ohne moralische Skrupel um Einfluss.
Im Originalfilm von 1960 war das Dienstmädchen die Böse, verführte den Herrn des Hauses und stellte eine Bedrohung für die heile Familie dar. In diesem geschmackvoll aufgesexten Remake, von schwarzem Humor durchzogen, sind die Rollen abgeändert; bald ist klar, dass die glückliche Familie Fassade ist und Liebe durch weibliche Realpolitik ersetzt wird. Wieviel Geld ist eine Abtreibung wert? Wie lautet die Kosten-Nutzen-Rechnung für das Ertragen männlicher Untreue? Diese Fragen treten im letzten Filmdrittel leider in den Hintergrund zugunsten grotesk entgleisender Ereignisse. Ein Schwachpunkt ist auch die unterbelichtete Hauptfigur Eun-yi. So erweist sich Doppelagentin Mrs. Cho, die der einflussreichen Familie verpflichtet ist und zugleich das gutherzige Mädchen schützen will, als deus ex machina dieses, trotz Makeln ebenso eleganten wie erfrischenden Camp-Thrillers.
Kommentare
Dienstmädchen
Das ist kein Remake des ersten Films mit dem gleichen Titel von 1960. Das ist ein ganz anderer Film, der mit dem früheren allenfalls gewisse inhaltliche Gemeinsamkeiten hat. Der Film von Im Sang-soo ist stilistisch konsequent, atmosphärisch dicht und viel klarer strukturiert. Deswegen auch wesentlich aussagekräftiger. Es ist einfach zeitgemäßer. Die Personen sind realistisch und sogar sexy. Man sieht was da so unter der Bettdecke geschieht. Es ist eine asiatische Zweiklassengesellschaft im 21. Jahrhundert: die einen sind traditionsbewusst, stocksteif und stinkreich. Das sind wohl auch die Älteren. Dann gibt es noch das moderne Korea: jung, locker, arm. Dazu gehört das Personal, die Dienstboten also.
Obwohl sie auf einander angewiesen sind und quasi zusammen leben, trennen sie Welten. Die Haushälterin sagt über ihre Herrschaft ‘Diese Menschen sind grausam. Deswegen sind sie wohl auch so reich.‘ Und der Herr des Hauses meint ‘Jede Frau hat wohl das Recht, ein Kind von mir zu empfangen.‘
Das erklärt einiges. Moralisch steckt dieses Korea noch im Mittelalter, als der Gutsherr noch das ‘ius primae noctae‘ hatte. Da passt dann auch die ältere Hausdame ins Bild, die quasi als ‘Beschließerin‘ die Schlüsselgewalt inne hat und den Haushalt managt. Und zu dieser archaischen Gesellschaftsform passt auch der spektakuläre Schluss mit Feuer und Strick quasi Scheiterhaufen und Galgen.
Ein guter Film mit toller Optik, Idealen von Vorgestern trotz zukunftsträchtiger Perspektive. Manche Dinge ändern sich halt nie.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns