Kritik zu Anderswo

Filmclip

Anderswo ist es auch nicht besser: Das Debüt der in Berlin lebenden israelischen Filmemacherin Ester Amrami hatte im letzten Jahr in der deutschen Sektion der Berlinale Premiere

Bewertung: 3
Leserbewertung
2.5
2.5 (Stimmen: 2)

Es gibt Worte, dessen Bedeutung nur der versteht, der in dieser Sprache aufgewachsen ist. »Saudade« meint eine bestimmte Art von Sehnsucht und Melancholie, die man beschreiben und erklären kann, die aber als Weltschmerz wahrscheinlich nur die Portugiesen erfahren können. Die junge Israelin Noa (Neta Riskin) sammelt diese in andere Sprachen unübersetzbaren Worte für ihre Uni-Abschlussarbeit und hält ihre Gespräche in Video-Interviews fest. Seit acht Jahren lebt Noa in Berlin, und es ist eine schöne Idee, ihr Gefühl der Fremdheit in diesen Wörtern fortgesetzt zu sehen. Denn so richtig heimisch geworden ist Noa im kalten Berlin nicht, auch wenn sie gerade zu ihrem Freund Jörg gezogen ist. Diese Interviews unterbrechen immer wieder das Kontinuum des Films wie ein Kommentar, und ganz am Schluss wird Wladimir Kaminer in einem Cameo den russischen Begriff »ostranenije« erläutern, der einen »Zustand dritter Hand« beschreibt, eine Art des Beobachtens.

Als Noa von ihrer Professorin erfährt, dass ihr Projekt von der Uni nicht weiter gefördert wird, setzt sie sich kurzerhand in ein Flugzeug zurück nach Israel. Noa ist in einer Sinnkrise, irgendwie verloren zwischen den Kulturen. Denn in Israel mag das Wetter eindeutig besser sein, richtig aufgehoben ist sie dort auch nicht. Strukturen in einer Familie ändern sich nicht, diese alte Lebensweiheit erlebt Noa auch zu Hause bei ihrer Familie, über der die überdominante Mutter thront. Noas Bruder ist bei der Armee, fühlt sich aber nicht wohl. Noas Familie sind Holocaust-Überlebende, die geliebte Oma stammt aus Czernowitz und war in Konzentrationslagern. Den benötigten Halt, die Nestwärme, wird Noa jedenfalls dort auch nicht finden.

Mitunter hat man das Gefühl, dass Regisseurin Ester Amrami, selbst eine in Berlin lebende Israelin, in ihren Low-Budget-Debütfilm mehr hineinpackt als ihm guttut, die Auseinandersetzung mit der Mutter, der mitunter fremde Alltag in Israel, die doppelte Heimatlosigkeit der Protagonistin und ihre Identitätssuche, das Leiden an der Familie, das problematische Verhältnis zwischen Juden und Deutschen. Das konnte man vor einiger Zeit auch schon bei einem anderen Debüt, bei Burhan Qurbanis Shahada, beobachten. Aber dann wird man doch auch wieder entschädigt. Zum Beispiel durch einen ziemlich hässlichen Schweinsteiger-Witz. Denn Noas Freund Jörg, ein baumlanger Musterdeutscher, ist ihr nachgereist und bekommt von ihrem Bruder ein Bayern-München-Trikot mit dem Witz als Zugabe geschenkt. Seltsam absurd ist auch eine Sequenz, als die drei Frauen mit Jörg im Auto sitzen und er die Aussprache seines Namens erklären muss: »o with an Umlaut« .

Mit der Krankheit der Großmutter gewinnen die tragischen Momente des Films an Oberhand. Aber auch das erzählt der Film mit einer gewissen Leichtigkeit.Und über allem strahlt natürlich die gleißende Sonne des Nahen Ostens.

Meinung zum Thema

Kommentare

Wann und wo ist dieser Film zu sehen?

MfG,
Ernst Wittfeld

Hallo Herr Wittfeld,

der Film läuft zufällig gleich heute noch (28.6.) um 23:30 Uhr in der ARD

Viel Spaß beim Film

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