Kritik zu Das Leben der Anderen

© Buena Vista

Kein milder Rückblick: die DDR als Diktatur und Schnüffelstaat

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Florian Henckel von Donnersmarck, Absolvent der HFF München, drehte den Kult-Kurzfilm »Dobermann«, ein Festessen für jeden Canophoben. »Das Leben der Anderen«, sein erster Langfilm, mit vier Bayerischen Filmpreisen ausgezeichnet (Regie, Drehbuch, Produktion und Hauptdarsteller Mühe), setzt die Erfolgsstory fort.

Goodbye, Lenin! Florian Henckel von Donnersmarck weint in seinem Debütfilm der DDR keine Träne nach. Ostalgie? Fehlanzeige. Wenn man die Anfangssequenz dieses Filmes sieht, kann man zu dem Schluss kommen, Stasi-Offiziere seien die neuen Film-Nazis. Ein fieses Verhör ist da zu erleben, bei dem der Verdächtige auf üble Weise schikaniert und gefoltert wird. Danach wird eine "Geruchskonserve" des Dissidenten für die Hunde aus der Sitzfläche seines Stuhls gezogen und in einen Glasbehälter gelegt. Die Vorstellung der entsprechenden Sammlung von Tüchern ist grotesk - ein befreiendes Lachen wie in den DDR-Komödien von Wolfgang Becker oder Leander Haußmann aber will sich nicht einstellen. »Das Leben der Anderen« ist eine Geruchskonserve aus dem Arbeiter- und Bauernparadies, die nach Angstschweiß riecht, nach Machtmissbrauch und Spießermief.

Das Verhör am Anfang ist ein Lehrvideo, das Hauptmann Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) jungen Rekruten zeigt. Dieser Stasi-Mann ist ein Hundertprozentiger, er wird als linientreu bis an die Grenze zur Karikatur gezeichnet. Von seinem Freund und Vorgesetzten Anton Grubitz (Ulrich Tukur), einem üblen Karrieristen, wird Wiesler mit einem besonderen Auftrag betraut und dafür in den Außendienst zurückversetzt: Wiesler soll den Dramatiker Georg Dreymann (Sebastian Koch) bespitzeln, einen vom Staat bislang hochgeschätzten Autor, der als politisch unbedenklich gilt.

Wiesler geht als Profi an diese Aufgabe heran. Er lässt Dreymanns Wohnung verwanzen und bezieht seinen Lauschposten auf dem Speicher ein paar Stockwerke darüber. So taucht Wiesler in das "Leben der anderen" ein und wird, das ist die überraschende Wendung des Films, durch die Berührung mit dieser ganz anderen Welt der Künstler und Freigeister verwandelt.

Wenig einfallsreich ist leider die visuelle Umsetzung – die Welt der Stasi zeichnen Donnersmarck und Kameramann Hagen Bogdanski in allen Schattierungen von Grau. Und die Charakterstudien kommen nicht ohne Klischees aus: Während der Künstler Dreymann und seine Freundin Christa-Maria (Martina Gedeck) in einer stilvollen Altbauwohnung mit Büchern und einem Klavier leben und leidenschaftlichen Sex haben, wird der Stasi-Mann in der Plattenbau-Wohnkonserve gezeigt, mit einem Abendessen aus der Dose, anschließend kommt eine Prostituierte zu Besuch. Wie Momos Graue Herren wirkt die Stasi-Truppe – dass ausgerechnet Wiesler, der farbloseste darunter, sich vom Künstlerleben so faszinieren lässt, dass er schließlich die Seiten wechselt, ist schwer nachvollziehbar.

Stark und glaubhaft aber ist der staatliche Bedrohungs- und Bespitzelungsapparat geschildert, der alle, wirklich alle Beziehungen zersetzen kann. Manchmal genügt ein einziger Satz: Frau Meinecke, die in der Wohnung gegenüber von Dreymann lebt, hat den Einbruch der Stasi beobachtet, als die Wanzen eingebaut werden. "Ein Wort zu irgendjemandem, und ihr Sohn verliert seinen Medizinstudienplatz", droht Wiesler durch die Wohnungstür. Und es ist vor allem auch das Missverhältnis zwischen dem Ausmaß der Drohung – die ihre Wirkung nicht verfehlt – und dem unscheinbaren leisen Auftreten des grauen Mannes an der Tür, das uns so erschrecken lässt. Stark ist auch ein Dialog zwischen dem idealistischen, ein wenig naiven und opportunistischen Dreymann und seinem Kulturminister, dem zynischen Machtmenschen Bruno Hempf (Thomas Thieme) über das Berufsverbot eines Kollegen. Da gibt Donnersmarck, der selbst nicht aus dem Osten stammt, der DDR ein unverhüllt brutales Gesicht. Hempf ist auch für Dreymanns Bespitzelung verantwortlich, weil der Minister dessen Freundin, die Schauspielerin Christa-Maria, begehrt.

Wiesler kommt bald dahinter, wie er überhaupt schnell Teil von Dreymanns Leben wird. Das offenbart sich ihm größtenteils als Hörspiel, was auch filmisch reizvoll ist: Als Dreymann nach dem Selbstmord seines an dem Berufsverbot zerbrochenen Freundes Klavier spielt, weint der graue Mann. Und für ein paar seltene komische Momente im Film sorgen die (misslungenen) "Übersetzungen" des in der Wohnung Gehörten in den Stasi-Bericht durch einen nicht sonderlich intelligenten Assistenten von Wiesler.

Donnersmarck liebt den Horrorfilm und das Melo – »Das Leben der Anderen« spielt gekonnt mit Elementen der Genres, was den Film spannend macht, der politischen Analyse aber auch im Wege steht. Vor allem Christa-Maria ist eine durch und durch melodramatische Figur, ein Opfertier, das sich erst auf die Affäre mit dem Minister und schließlich auf den Verrat des Freundes einlässt. Die Schicksalhaftigkeit ihrer Entscheidungen passt nur schwer zur Freiheit des Handelns, die Donnersmarck seinen beiden männlichen Protagonisten zugesteht. Aber Dreymann hat am Ende vermutlich einfach nur Glück gehabt – wie leicht die Persönlichkeit dieses Künstlers zu zerstören gewesen wäre, wird von Grubitz einmal mit erschreckender Klarheit und Brutalität formuliert. Und Wiesler? Seine Selbst-Befreiung mutet wie ein Wunder an und ist es vermutlich auch. Sie wäre gänzlich unglaublich, wüsste man nicht, dass sich die DDR auf eine ähnlich unglaubliche – und in der Geschichte ziemlich einmalige Art und Weise – selbst befreit hat.

Meinung zum Thema

Kommentare

Ich bin der Meinung, dass Das Leben der Anderen ist ein sehr interessantes Film.

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