Kritik zu Sturmland
Zwei Männer, ein Haus – aus dieser überschaubaren Situation zaubert Ádám Császi in seinem Debüt einen liebenswerten kleinen Film über ein schwules Coming-out im homophoben Ungarn
Zum Fußball gehören nicht nur Geschicklichkeit und Leichtfüßigkeit. Die wichtigen Momente im Spiel werden durch körperbetonte Aggressivität entschieden. Genau das versucht der Coach (Uwe Lauer), Typ deutscher Schleifer, seinen Spielern einzutrichtern. Sogar mit autogenem Training. Sein Augenmerk gilt dem talentierten Ungarn Szabi (András Sütõ), ein ungeschliffener Diamant. Ihn will der Trainer scharf machen, buchstäblich. Doch wenn die Leiber sich im Zweikampf heftig aneinander reiben, dann ist körperlich spürbar, dass es hier nicht nur um den Torerfolg geht.
Der Männerwelt des Fußballs wohnt eine latente Homoerotik inne. Spätestens seit dem Outing des Exnationalspielers Thomas Hitzelsperger ist das ein offenes Geheimnis. Doch so explizit wie in Ádám Császis bewegendem Debüt Sturmland hat man das Spiel ohne Ball selten gesehen. Vom Coach angeheizt, rastet Szabi in einem wichtigen Match aus und wird vom Platz gestellt. Hinterher beschwert er sich bei seinem Mitspieler Bernard, der ihm in einer Schlüsselsituation den Ball verweigerte. Als Bernhard die Kooperation auf dem Spielfeld unverhohlen mit der Bereitschaft zu sexuellen Handlungen in Verbindung bringt, kommt es zur Prügelei unter der Dusche.
Szabi hängt daraufhin die Schuhe an den Nagel und kehrt in seine Heimat zurück. Fußball, so erfahren wir nach dieser überraschenden Wendung, war nur der Einstieg. Wovor der junge Kicker davonlief, holt ihn zu Hause wieder ein: Als er einen nächtlichen Dieb stellt, lernt er den Handwerker Áron (Ádám Varga) kennen. Bis die beiden sich näherkommen, müssen sie erst einmal sturzbetrunken vom Moped fallen. Aus solchen plausibel beobachteten Situationen, in denen die Leiber immer irgendwie straucheln, entwickeln Ádám Császi und sein Koautor Iván Szabó eine packende, kleine Geschichte, die durch ihre schlichte Sinnlichkeit überzeugt. Wenn die Beiden Szabis geerbtes Haus reparieren, dann richten sie sich Schritt für Schritt in ihrer eigenen Welt ein. Szabi wird Bienenzüchter. Vom Kicker zum Imker – das ist keine alltägliche Karriere.
Beim Renovieren müssen die beiden jedoch, ebenso wie in ihrer Beziehung, improvisieren. Die sozialistische Mangelwirtschaft scheint in Ungarn längst noch nicht vorbei zu sein. In einer der schönsten Szenen hängen die Männer zu zweit die Haustür ein – durch deren Glasfenster die Verliebten sich gegenseitig wie im Spiegel erblicken. Streifzüge in die Welt außerhalb ihres Gemäuers zeigen beiläufig, dass es intakte Kleinfamilien nicht zu geben scheint. Árons Mutter lebt ebenso wie Szabis Vater ohne Partner. Der ungarische Katholizismus wird ebenso thematisiert wie gewaltbereite Homophobie. Das alles erzählt Császi angenehm unaufgeregt und mit Gespür für Timing. Mit dem jungen ungarischen Darsteller András Sütõ erhält der Film ein sympathisches Gesicht. Dank ihm wird Sturmland auch für Fußballhasser goutierbar.
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