Netflix: »Cassandra«

»Cassandra« (Miniserie, 2025). © Netflix

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Sci-Fi im Retro-Look

Augen auf beim Hauskauf. Erfahrene Fernsehzuschauer ahnen, was bevorsteht, wenn eine sympathische Familie Hamburg verlässt, um außerhalb in eine Immobilie einzuziehen, die seit den 1970er Jahren leer steht – seit dem Tod der Vorbesitzer. Die Künstlerin Samira (Mina Tander), der Krimiautor David (Michael Klammer) und ihre Kinder Fynn (Joshua Kantara) und Juno (Mary Tölle) bringen viel psychischen Ballast mit in das erste Smarthome seiner Zeit: Ehespannungen, kollektive Traumata nach dem Selbstmord von Samiras Schwester. Im neuen Heim wollen sie »als Familie wieder zusammenfinden«.

In sechs Folgen entwickelt Regisseur und Autor Benjamin Gutsche eine Geschichte, in der Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen. Fynn gelingt es, die stillgelegte Smarthome-Technik zu reaktivieren. Auftritt Cassandra. Ihr Antlitz ist auf den in allen Zimmern installierten Bildschirmen zu sehen. Außerdem erscheint sie als Roboterfigur mit Gesichtsdisplayfunktion. Lavinia Wilson »verkörpert« dieses mittels einer elektronischen Festplatte gesteuerte Wesen. Es stellt sich mit freundlicher Mimik und einem gewinnenden Satz vor: »Ich bin die gute Fee.«

Das klingt schon leicht gruselig, obwohl Cassandra in der Lage ist, den Haushalt zu führen und der verunsicherten, von Alpträumen geplagten Juno Lebenshilfe anzubieten. Schnell offenbart sich allerdings Cassandras manipulative Energie. Die gute Fee will die Chefin sein im smarten Home.

Wilsons Cassandra existiert in der Serie als digitales Abbild und als reale Figur. Ihr in Rückblenden vermitteltes Leben an der Seite des Smarthome-Erfinders Horst (Mark Lewis) ist kein leichtes in den 1960er und 1970er Jahren. Ihr Sohn wird im Sportverein gemobbt, der Mann betrügt sie, Cassandra erkrankt an einer tödlichen Krankheit. Doch sie ist hart drauf. Die Hausfrau kann über Leichen gehen, wenn es die Situation erfordert. Diese Charakterzüge nimmt sie mit bei ihrer von Horst ins Werk gesetzten Transformation in eine gar nicht so entfernte Verwandte des Terminators.

Gutsches Serie wurde in Köln, Bonn und Umgebung gedreht. Die Außenwelt spielt jedoch nur eine Nebenrolle. Die Dramaturgie wachsender Eskalation entfaltet sich vornehmlich in düsteren Innenräumen. Hier erreichen die Paranoia Samiras und die Konflikte mit David explosive Höhepunkte, hier vereinen sich Science-Fiction-Thriller und effektreicher Horror.

Das Besondere an Gutsches Serie ist ihr Zeitkolorit, die perfekt gestaltete Retro-Optik. In der Möblierung des Hauses, in der Kleidung, in der Küche (Toast Hawaii) und im Auftreten der Menschen erleben die 1960er und 1970er ein Comeback. Eine zentrale Rolle spielt die Musik. Als es einmal ganz blutig wird, singt Vicky Leandros: »Was kann mir schon gescheh'n? / Glaub mir, ich liebe das Leben / Das Karussell wird sich weiterdreh'n / Auch wenn wir auseinandergeh'n«.

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