Kritik zu Niki de Saint Phalle
In ihrem Spielfilmdebüt erzählt Céline Sallette in eindrücklichen Bildern von der künstlerischen Selbstermächtigung der avantgardistischen Bildhauerin
Ein Künstlerinnenporträt, das niemals die Kunst seiner Protagonistin zeigt, ist irritierend und setzt zugleich einen klaren Fokus. Es geht um die Handelnde und ihr Handeln. In Céline Sallettes Biopic »Niki de Saint Phalle«, das im vergangenen Jahr in Cannes seine Premiere feierte, ist das dem Fakt geschuldet, dass keine Werke der Künstlerin (1930–2002) gezeigt werden durften. Und so konzentriert sich Sallette in ihrem Debüt auf die schillernde Schöpferin der Nanas, auf ihre Selbstermächtigung als Frau und Künstlerin, ihre Entwicklung und ihre schmerzhafte Aufarbeitung ihrer von Missbrauch geprägten Kindheit und Jugend und die grauenvolle psychiatrische Behandlung in den 1950er Jahren.
Ikonenhaft und stumm inszeniert Sallette ihre Heldin zu Beginn. Damals, gerade aus den USA mit Mann und Kind nach Paris gekommen, arbeitete Niki de Saint Phalle als Schauspielerin und Model. Ganz nah an ihrem perfekt geschminkten Gesicht, ein funkelndes Diadem auf dem Kopf, ist die Kamera, als sie teilnahmslos die Anweisungen des Fotografen bei den Modeaufnahmen erduldet. Ebenso teilnahmslos unterzeichnet sie den Scheck, als diese abgebrochen werden, um dann schnell zu ihrem Säugling und anschließend zu Theaterproben mit Cocteau zu eilen. Liebevoll kümmert sie sich um ihr Baby, dessen dreckige Windeln samt Bettlaken sie mit den Füßen unter den Sessel schiebt. Es ist eine dieser symbolhaft aufgeladenen Szenen. Kehrt Niki ihre Probleme unter den Teppich oder ist sie schlicht eine unkonventionelle oder auch unfähige Mutter?
Schmerzhafte Flashbacks plagen die junge, hübsche Frau (Charlotte Le Bon), die zu Panikattacken führen. Als ihr Mann Harry (John Robinson) zahlreiche von ihr unter der Matratze versteckte Messer entdeckt, willigt sie zu einer Behandlung in einer psychiatrischen Klinik ein. Dort entdeckt sie die heilende Wirkung der Kunst. Nach ihrer Einlassung intensiviert sie ihr künstlerisches Schaffen, ohne die rechte Anerkennung: »Du bist die Frau eines Schriftstellers, die malt«, muss sie sich von einer Bekannten sagen lassen. Doch Niki de Saint Phalle lässt sich nicht beirren, sagt selbst eine Hauptrolle in einem Robert-Bresson-Film ab. Gleichzeitig pflegt sie ihre Freundschaft zu dem Schweizer Bildhauer und ihrem späteren Ehemann Jean Tinguely (Damien Bonnard) und dessen erster Frau Eva (Judith Chemla).
Exzentrisch, neurotisch und freigeistig ist diese von Charlotte Le Bon so feengleich wie divenhaft gegebene Niki de Saint Phalle, die von Kameramann Victor Seguin mal in grellen Sequenzen der Verzweiflung, mal in den sonnigen Arrangements in Frankreichs Süden in Szene gesetzt wird.
Es ist das Porträt einer der ungewöhnlichsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Doch Sallette bleibt an der Oberfläche, inszeniert konventionell. Zunehmend destruktiv wird die Kunst von Niki de Saint Phalle: Sie verwendet abgerissene Puppenköpfe, wirft mit Messern oder Farbbeuteln auf die Leinwände, einmal zerstört sie eines ihre Bilder. Einen solchen Bildersturm hätte man sich auch in Regie und Drehbuch gewünscht.
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