Berlinale: Warum reden wir nicht mal über Filme?

Berlinale Bären

Wie jetzt? Keine Turbulenzen beim Landeanflug? Könnte es sein, dass der Berlinale-Jumbo am Donnerstagabend geschmeidig auf dem roten Teppich aufsetzt und mit Tom Tykwers angemessen betiteltem Eröffnungsfilm »Das Licht« in die Welt der Bilder hinübergleitet? Über Filme zu sprechen auf Deutschlands größtem Festival – das wäre mal wieder was. 

Tatsächlich scheint die neue Festivaldirektorin Tricia Tuttle, vormals Leiterin des Londoner Filmfests und seit April letzten Jahres als Nachfolgerin des Duos Carlo Chatrian und Marïette Rissenbeek installiert, Ruhe ins Spiel gebracht zu haben. Ihr Job ist auch jenseits unkalkulierbarer Außeneinflüsse nicht leicht: Es gilt, das Profil des Wettbewerbs zu schärfen, die Berlinale in der Konkurrenz mit anderen A-Festivals zu stärken, die Vielzahl der Filme – deutlich mehr als 200 in diesem Jahr – sinnvoll zu strukturieren und den Festspielen, denen in den letzten Jahren einige Kinos abhanden gekommen sind, ein Zentrum zu geben. Weil diese Berlinale, die 75., eine Jubiläumsausgabe ist, hat immerhin die Kulturstaatsministerin dem Festival fast zwei Millionen Euro extra zugeschossen. 

Was die Struktur betrifft, liegt die Sache jetzt ziemlich klar. Die von Carlo Chatrian etablierte Reihe »Encounters«, eine Art B-Wettbewerb, wurde eingestellt; stattdessen gibt es eine Sektion, die internationale Spielfilmdebüts präsentiert: »Perspectives« (könnte man sich für diese Programmreihen mal Namen ausdenken, die Rückschlüsse auf den Inhalt zulassen. Wie wäre es mit First Feature Film – FFF?).

Der Wettbewerb kommt seriös daher – mit einem lupenreinen Arthouse-Programm. Von den 19 Bewerbern (aus 26 koproduzierenden Ländern) dürften jenseits hartgesottener Cineastenkreise allerdings nur wenige bekannt sein: der Rumäne Radu Jude, der 2021 den Goldenen Bären gewonnen hat (»Kontinental '25«), Stammgast Hong Sang-soo aus Südkorea (»What Does that Nature Say to You«) und als prominentester der Amerikaner Richard Linklater, ebenfalls Berlinale-Sieger, der mit »Blue Moon« ein Biopic um einen Broadwaykünstler einliefert, mit Ethan Hawke und Margaret Qualley (»The Substance«) in den Hauptrollen. 

Deutschland ist im Vergleich mit den letzten Jahren im Wettbewerb eher sparsam vertreten. »Das Licht« läuft außer Konkurrenz. »Was Marielle weiß« von Frédéric Hambalek mit Julia Jentsch und Felix Kramer erzählt eine schräge Geschichte um ein perfektes Paar, dessen Tochter plötzlich telepathische Fähigkeiten entwickelt. Deutsch koproduziert sind »Mother's Baby« von Johanna Moder, »La tour de glace« von Lucile Hadžihalilović und »Yunan« von Ameer Fakher Eldin. 

In der Reihe Special werden die neuen Filme von Burhan Qurbani (»Kein Tier. So wild«), Jan-Ole Gerster (»Islands«) und Edgar Reitz (»Leibniz«) gezeigt; hier sind auch die meisten Stars angekündigt – unter anderen Robert Pattinson, der in Bong Joon-hos Science Fiction-Film »Mickey 17« als Klon auftritt. 

Interessant werden könnte es in der Dokusparte. Nach dem Eklat um radikal propalästinensische Statements bei der Verleihung des Dokumentarfilm-Preises an die palästinensisch-israelische Produktion »No Other Land« im letzten Jahr positioniert sich das Festival vorsichtig neu. Gezeigt wird etwa Tom Shovals »A Letter to David«, ein Dokumentarfilm über David Cunio, der 2013 als Schauspieler an der Berlinale teilnahm und bis heute als Geisel in der Gewalt der Hamas ist. Außerdem laufen Filme über das Attentat von Hanau, das die Berlinale 2020 überschattete (»Das deutsche Volk« von Marcin Wierzchowski), und den rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992 – Regisseurin und Autorin Marina Priessner hat dafür die Solidaritätsbriefe an die Stadt ausgewertet, die in den Akten verschwunden waren (»Die Möllner Briefe«). 

Mit dem amerikanischen Regisseurs Todd Haynes an der Spitze der internationalen Jury und dem Goldenen Ehrenbär für Tilda Swinton verbeugt die 75. Berlinale sich vor der Geschichte, ohne dabei alt zu wirken. Die beiden gehörten in den Achtzigern zu den Entdeckungen des Festivals: Haynes im Forum mit seinem Spielfilmdebüt »Poison«, Swinton als Darstellerin in den Filmen von Derek Jarman. Wäre schön, wenn die 75. Berlinale an diese strahlende Ära des Independent-Kinos anknüpfen könnte.

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