Kritik zu La Cocina – Der Geschmack des Lebens

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Mikrokosmos Küche: Der neue Film von Alonso Ruizpalacios schildert einen Tag hinter den Kulissen eines New Yorker Restaurants

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Die Küche als Schlachtfeld – dieses alte Sprachbild wird immer wieder gerne bemüht, und der Vergleich mit Militärischem liegt tatsächlich nahe: In den Terminologien (»Brigade«), dem rauen Umgangston, den strengen Hierarchien und dem Korpsgeist gibt es durchaus Analogien. Wie ein Kriegsschauplatz erscheint auch die Restaurantküche in »La cocina«, dem neuen Film des Mexikaners Alonso Ruizpalacios: ein gewaltiger, fensterloser Ort, wo die Luft brennt, während eine riesige Brigade ununterbrochen Teller rausfeuert, die von einer Heerschar uniformierter Kellnerinnen an die Tische gebracht werden. Das Restaurant befindet sich am New Yorker Times Square, trägt den generischen Namen »The Grill« und versorgt die Gäste mit Standards wie Burger, Steak und Chicken Masala – wobei es von subtiler Ironie ist, dass die meisten Teller, die man zu sehen bekommt, nur halb aufgegessen in die Küche zurückkehren. Wirklich gut scheint der Laden nicht zu sein. Aber er läuft.

Doch anders als in den meisten anderen Produktionen zum Thema spielt das Essen selbst ohnehin keine nennenswerte Rolle. Es geht in »La cocina« um die Küche als multi­ethnischen Mikrokosmos, als Spiegel einer Gesellschaft, die – um ein kulinarisches Sprachbild der Kulturwissenschaft zu bemühen – kein kultureller »Melting Pot« ist, sondern eine »Salad Bowl«, deren diverse Bestandteile sich nicht immer kollisionsfrei vermengen.

Ein bisschen durchgeschüttelt wirkt zunächst auch das Drehbuch, das sich anfangs nicht recht entscheiden kann, um wen oder was die Erzählung eigentlich geht. Erst allmählich kristallisiert sich die Liebesbeziehung zwischen einer amerikanischen Kellnerin (exzellent: Rooney Mara) und einem illegalen mexikanischen Koch (noch besser: Raúl Briones Carmona) als erzählerischer Fokuspunkt heraus. Doch so berührend die wenigen gemeinsamen Szenen der beiden auch sind, bleibt das Potenzial der angerissenen Themen – ­alleinerziehende Mutterschaft, Abtreibung, Greencard-Ehe, Zukunftsträume – frustrierend ungenutzt.

Zu fasziniert scheint Ruizpalacios von der Schilderung des Küchenalltags, den er gleichwohl mit selten gesehener Kraft und Authentizität inszeniert. Die teils naturalistischen, teils stilisierten Schwarz-Weiß-Bilder, der mitreißende Schnitt und das präzise Sounddesign verleihen den Geschehnissen eine ungeheure Sogkraft. In der metaphorischen Repetitivität des Küchentreibens schwingen Themen wie illegale Migration, Ausbeutung, Klassengesellschaft und die Vergeblichkeit des »American Dream« mit. 

Das funktioniert in der temporeichen Beiläufigkeit sehr gut, hier wird der Film zur Arbeitermilieustudie im Stil eines modernen Neorealismus – wozu dann auch wieder die traurige Liebesgeschichte passt. Alle kämpfen zusammen, nur echte Loyalität scheint es in diesem Kosmos der illegalen Arbeitsmigration kaum mehr zu geben. Wer es »geschafft« hat, gliedert sich weiter oben in die Hierarchie ein. So gesehen weist »La cocina« am Ende dann doch weit über das Küchengeschehen hinaus.

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