Kritik zu In Liebe, Eure Hilde

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Andreas Dresen nimmt für seinen Film über den Widerstand gegen die Nazidiktatur im Umfeld der »Roten Kapelle« die private Perspektive von Hilde Coppi ein. Er zeigt, wie einfach die Taten an sich waren und wie viel Mut und Überzeugung sie dennoch kosteten

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Kurz vor ihrem Tod scheint noch einmal die Sonne auf Hilde Coppi. Mit zwölf weiteren Frauen steht sie im Hof des Strafgefängnisses Berlin-Plötzensee und wartet auf ihre Hinrichtung. In Echtzeit verfolgt man, wie eine nach der anderen aufgerufen wird, bis schließlich Hilde an der Reihe ist. Die Szene steht beispielhaft dafür, mit welcher Ruhe und berührenden Intensität »In Liebe, Eure Hilde« erzählt. 

Hilde Coppi, geborene Rake, gehörte zum Widerstandsnetzwerk »Rote Kapelle« – eine Bezeichnung, die die lose verbundenen Gruppen aufgrund ihres kommunistischen Hintergrunds von der Gestapo bekamen. Gemeinsam mit ihrem Mann Hans Coppi beteiligte Hilde Coppi sich an Flugblattaktionen und half bei den Versuchen, mit einem Funkgerät Pläne der Wehrmacht an die Sowjetunion zu übermitteln. 1942 wurden sie zusammen mit weiteren Mitgliedern verhaftet und schließlich zum Tode verurteilt. Während der Zeit im Gefängnis brachte Hilde ihren Sohn zur Welt. Der heute 81-jährige Hans Coppi junior forschte später als Historiker zur »Roten Kapelle«. 

Die filmischen Verarbeitungen der »Roten Kapelle« in den 70er Jahren stehen beispielhaft für die lange lückenhaft gebliebene Aufarbeitung. Während sich die ARD-Serie »Die rote Kapelle« (1972) in Form eines klassischen Spionagethrillers auf Aktivitäten in Belgien und Frankreich konzentrierte und die Gruppe in Berlin kaum thematisierte, überhöhte der DEFA-Spielfilm »KLK an PTX – Die Rote Kapelle« (1970) wiederum die Rolle der Sowjetunion. Die verzerrten Darstellungen waren Thema des Dokumentarfilms »Die rote Kapelle« von 2021. Andreas Dresen wählt für »In Liebe, Eure Hilde« nun eine sehr private Perspektive und blendet die politisch-weltanschaulichen Hintergründe weitgehend aus. Das kann man als Schwäche betrachten, gerade so entsteht aber auch ein ganz universelles Bild des Widerstands. 

Strukturiert ist der Film in zwei Erzählstränge. Der eine erzählt linear Hildes Zeit im Gefängnis von der Verhaftung bis zur Hinrichtung. Eindrücklich wird deutlich, wie es gewesen sein muss, unter den elenden Haftbedingungen ein Kind zur Welt zu bringen. Angst, Verzweiflung, Hoffnung, Mut: Die herausragend spielende Liv Lisa Fries zeigt die Gefühlswelt ihrer Figur mit allen Facetten. Parallel erzählen Rückblenden die Vorgeschichte. Chronologisch verschoben sieht man zunächst die Ereignisse kurz vor der Verhaftung, später dann wie Hilde sich überhaupt erst den Aktivitäten angeschlossen hat. Im Mittelpunkt steht zudem die Liebesgeschichte zwischen Hilde und Hans (Johannes Hegemann).

Die mattfarbenen Bilder geben dem Film einen historischen Touch, künstliches Pathos aber gibt es nicht, was sich auch im Verzicht auf musikalische Untermalung äußert. In den Blick nimmt der Film die Bestandteile des Nationalsozialismus, die letztendlich die Grundlage eines jeden diktatorischen Systems sind. Dazu gehören die Verfolgung von Gegnern – und Menschen, die vermeintlich den Gesetzen folgen, so wie die Richter, die Hilde verurteilen, oder Hildes Aufseherin (Lisa Wagner). Diese ist beeindruckt davon, wie Hilde sich um ihr Baby kümmert, und behandelt sie, nach anfänglicher Strenge, fast fürsorglich. Das Todesurteil empfindet sie als ungerecht, aber das System selbst hinterfragt sie nicht.

Was hätte ich getan? Diese Frage kann man sich während des Films gerade deshalb stellen, da man durch die zwei Ebenen der Erzählung gleichzeitig Hildes Entscheidung zum Widerstand und die erschütternden Konsequenzen sieht. Und sie drängt sich auf, weil die Figuren so nahbar sind. Trotz Diktatur und Krieg können Hilde und Hans das Leben genießen. Sie verbringen Zeit am See, träumen von einer gemeinsamen Familie. Ihre Versuche des Widerstands sind keine übermenschlichen Heldenstücke, sondern einfache Taten, zu denen jeder in der Lage gewesen wäre. Hilde wird dezidiert nicht als heroisch charakterisiert, sondern als zurückhaltende, fast ängstliche Person. Aber sie zweifelte eben nicht daran, dass es richtig und anständig war, etwas gegen die Nazis zu unternehmen.

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