Kritik zu The Crow
Der schwarze Vogel steht für Trauer, Tod und Verlust: Rupert Sanders adaptiert die 1981 erschienene Graphic Novel neu als düstere Romanze mit Rimbaud-Zitaten und Joy Division-Soundtrack
Mitternacht umgab mich schaurig / als ich einsam, trüb und traurig / Sinnend saß und las von mancher/ längstverklung'nen Mähr' und Lehr' / Als ich schon mit matten Blicken / im Begriff, in Schlaf zu nicken / Hörte plötzlich ich ein Ticken an die Zimmerthüre her.« Und jenes nächtliche Ticken an der »Thüre« stammt bekanntlich von einem Schnabel. Edgar Allan Poes Gedicht »Der Rabe« ist ein Klassiker der Phantastik, der schwarze Vogel steht für Tod, Trauer und Verlust. Die ebenfalls zu den Rabenvögeln gehörende Krähe eignet sich allerdings genauso gut als Sinnbild für düsterromantische Notion.
In Rupert Sanders‘ Neuverfilmung des 1981 erschienenen Comics »The Crow« geht es, wie in Poes Gedicht, und wie in der ersten Kinoadaption von 1994 um all diese Themen: Eric (Bill Skarsgård) ist Insasse in einer Entzugsklinik. Seine martialischen Körper- und »Face Tats« bilden einen ulkigen Kontrast zur rosa Patientenuniform; Gesprächstherapien und Bewegung im Innenhof helfen ihm nicht wirklich beim Fristen des frustrierenden Lebens. Doch als die Musikerin Shelly (FKA Twigs) eingeliefert wird, und die beiden gemeinsam aus der Klinik flüchten, entspinnt sich eine Gothic-Romanze, wie sie im 19.-Jahrhundert-Buche steht, inklusive Rimbaud-Lektüre und Joy Division-Soundtrack.
Das schauerliche Glück ist leider nur von kurzer Dauer – Shelly wird von mysteriösen Gestalten verfolgt, weil sie einen Beweis dafür besitzt, dass ein Geschäftsmann namens Vincent (Danny Huston) seine Seele dem Teufel verkauft hat, und sich nun einen Spaß daraus macht, unschuldigen Menschen mit Satanstimme Gräueltaten einzuflüstern. Natürlich will Vincent nicht, dass sein satanisches Geheimnis herauskommt, darum bringen seine Leute die beiden Turtelkrähen brutal um die Ecke. Aber Vincent hat nicht mit der Zwischenwelt gerechnet: In jener ausgiebig mit Krähen ausgestatteten Schneise zwischen Leben und Tod findet sich der verzweifelte Eric wieder, dort erfährt er, dass er seine tote Geliebte wieder auferstehen lassen kann – wenn seine Liebe zu ihr »rein« ist, und er nichts gegen Blutvergießen hat.
Eigentlich besteht die von den Gothic-Nerds argwöhnisch beäugte Geschichte, um deren erste Verfilmung sich durch den Unfalltod des Hauptdarstellers am Set ein morbides Cult-Following entwickelte, aus zwei Teilen: Die erste Hälfte ist ein Liebesfilm in Gruftieband-Videoclipästhetik, in dem die Protagonist:innen sich in (selbstredend schwarzer) Unterwäsche malerisch durch die Betten wühlen. In der zweiten ist Schluss mit lustig – stattdessen werden Köpfe zu Brei geschlagen, und Körper kaputtgetreten. Dass man sich den Film überhaupt anschauen kann, liegt an Skarsgård und Twigs, die leidenschaftlich und überzeugend die verlorenen Seelen geben, und den etwas tumben, gewalttätigen Plot nonchalant wegspielen. Hinter all dem steckt die Absicht, die 90er-Jahre-Revival-Lust anzusprechen, und sowohl Skarsgård-Fans als auch Actionfilm-Afficionados abzugreifen. Insofern muss man »The Crow« eines lassen: Blutleer ist er nicht.
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