Apple TV+: »Pachinko« Staffel 2
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Das Buch »Pachinko« (deutsch »Ein einfaches Leben«) von Min Jin Lee war 2017 eine Art Sleeper-Hit. Für ihren Debütroman »Gratisessen für Millionäre« hatte die in Korea geborene Autorin, die als Siebenjährige mit ihrer Familie in die USA gekommen war, einige Preise erhalten, aber das Echo auf ihr zweites Werk blieb eher verhalten. Erst nach einigen Monaten setzten positive Leserresonanz und begeisterte Kritiken ein. In Interviews erzählte Lee später, dass ihr Verlag das unter anderem darauf schob, dass in Amerika nicht viele Menschen wussten, welche Rolle das Glücksspiel Pachinko in Japan spielte. Noch weniger war bekannt, dass die Mehrheit dieses als halbseiden angesehenen Geschäfts von der koreanischen Minderheit dort betrieben wird. Das Schöne ist, wenn man das Buch einmal aufgeschlagen hat, spielt Unwissen dieser Art keine Rolle mehr. Die Familiengeschichte, die Lee erzählt, fesselt mit ihren seifenoperhaften Elementen von verheimlichter Vaterschaft, verlorenen Söhnen und dem Nachhall schwerer Kindheiten. Hinzu kommt die Art, wie sie ihre Figuren die große Geschichte erleben lässt: Meisterhaft erzählt sie von der japanischen Kolonisierung Koreas und ihren langen Folgen im 20. Jahrhundert, ohne akademisch zu erscheinen.
Soo Hugh, die für die Serienadaption verantwortlich zeichnet, gelingt es, die historische Perspektive sogar noch zu erweitern. Eine der eindrücklichsten Folgen der 2022 ausgestrahlten ersten Staffel verwickelte die Schlüsselfigur Koh Hansu (Lee Min-ho) in die Schrecken des großen Kanto-Erdbebens von 2023, ein Ereignis, das im Buch nicht vorkam, aber in sehr berührender Weise sowohl die Zeitgeschichte lebendig werden ließ als auch der Figur von Hansu, dem »Bad Boy« des Romans, zusätzliche Dimensionen verlieh.
Im nahtlosen Anschluss an die erste Staffel greift die zweite die Handlungsfäden der bereits etablierten zwei Zeitebenen auf. In der Vergangenheit erlebt man mit Sunja (Kim Min-ha) und ihren zwei Söhnen die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs in Osaka, in der »Gegenwart« versucht ihr Enkel Solomon (Jin Ha) im Tokio des Jahres 1989, seine Karriere als Banker zu retten, nachdem ein Akt von trotziger Selbstsabotage am Ende der ersten Staffel zu seiner Entlassung geführt hatte. Obwohl man einige der Linien, die sich dazwischen ereignen – wie etwa das Sterben von Schwägerin Kyunghee (Jung Eun-chae) – schon kennt, findet die neue Staffel Wege, mit anderer Schwerpunktsetzung und ein paar neuen Figuren die Erzählung organisch zu erweitern. Erneut kann man staunen darüber, mit welcher Beiläufigkeit die Historie (die Luftangriffe auf Osaka, der Abwurf der Atombomben, japanische Kriegsverbrechen) ins Leben der Figuren eingebunden wird – und welche interessanten Perspektiven sich daraus ergeben. »Pachinko« feiert die Resilienz einer Frau wie Sunja, macht zugleich aber ergreifend deutlich, was dieses Überleben ihr alles abverlangt. Und dann ist da immer noch dieser Vorspann, der in seiner Kombination aus Archivaufnahmen, Popmusik und Tanzszenen genau das auf den Punkt bringt. Jedes Mal aufs Neue.
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