Kritik zu Bis hierhin und wie weiter?
Felix Maria Bühler porträtiert Protagonisten aus dem Inneren des deutschen Klimaaktivismus und zeigt neben Demos und Kampfparolen auch existenzielle politische Konflikte und Zweifel
Das Bild auf der Leinwand sieht aus wie ein animiertes Schlachtengemälde. Es zeigt auch einen Kampf, wenn auch nicht zwischen den Heeren von Kaisern und Fürsten. Stattdessen sind es Klimaaktivisten und die Polizei, die unter dramatischem Gewölk im Rheinischen Braunkohlerevier gegeneinander antreten. Das nahe der Abbruchkante liegende Dorf Lützerath soll endgültig den Riesenförderbaggern und dem Energiehunger des Konzerns RWE weichen. Dabei ist zur Zeit dieser Auseinandersetzung der Ausstieg aus der Kohle politisch längst beschlossen.
Lützerath ist einer von mehreren Schauplätzen dieses Dokumentarfilms, der fünf Aktivist*innen gegen dieses fossile Energiemodell bei ihren Kämpfen begleitet. Sie agieren in unterschiedlichen Kontexten – die Namen »Ende Gelände«, »Letzte Generation« oder »Extinction Rebellion« kennen wir längst alle –, beim Blockieren von Straßen in Berlin oder einem Hamburger Kraftwerk, im Clinch mit aufgebrachten Autofahrern und gerüsteter Polizei. Sie sind mit Ernst bei der Sache, aber auch mit zunehmender Frustration, weil ihre Anstrengungen trotz zunehmender Drastik keine sichtbare Wirkung auf Politik und Bevölkerung zeigen.
Der Film beginnt nach dem »Hungerstreik für Klimagerechtigkeit« der »Letzten Generation« vor dem Bundeskanzleramt im August 2021, der nach drei Wochen ohne die geforderten Gespräche mit den Kanzlerkandidat*innen für die Beteiligten enttäuschend ausging. Danach treffen sich Unterstützer*innen in einem Ladenlokal, um zu beraten, wie es weitergehen kann: Da ist Guerrero, der nicht mehr Opfer sein will und dringende Strategiewechsel einfordert (»Organisiert euch und greift an!«). Da ist Hungerstreik-Sprecherin Taura, die lieber beobachtend an den Blockaden teilnehmen möchte, weil sie im Knast wenig bewirken könne. Die neunzehnjährige Lina hält als »Teamleiterin« eine Motivationsansprache zum dramatischen Stand der Dinge in Sachen Erderhitzung und kündigt sachlich an, dass die Blockaden der »Letzten Generation« wiederholt werden sollen, »bis wir unsere Forderungen erfüllt haben«.
Regisseur Felix Maria Bühler ist Regiestudent an der HFF in Potsdam-Babelsberg und geriet über eigene Fragen an die Zukunft zu den Protagonist*innen nach Lützerath. Dass er sich auch im Film mit ihren Anliegen verbunden fühlt, lässt dieser weniger an der Teilnahme an den militanten Aktionen als durch die feinfühlige Kameraarbeit gegenüber den Einzelnen erkennen. Aber auch im Gespür für politisch zentrale Momente und mögliche Kipppunkte: Wenn Taura im Interview mit einem Journalisten erläutert, dass existenzieller Wandel nicht gehen wird, ohne Teile der Bevölkerung vor den Kopf zu stoßen. Oder wenn in einem Gespräch zwischen Charly und ihrem Freund »Fuchs« eine unter dem kämpferischen Gestus liegende Skepsis gegenüber dem Erfolg des kollektiven Tuns offenbar wird, deren Folge genauso gut Radikalisierung wie der Rückzug ins Private werden könnte. Am Ende wird schweres Gerät die massiven Backsteinwände der Lützerather Backsteinhäuser niederreißen. Doch wir haben auch etwas gewonnen, sagt eine der Aktivistinnen: »See you soon.«
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns