Kritik zu A Quiet Place: Tag Eins
In diesem Spin-off zu John Krasinskis Alien-Invasion-Filmen von 2028 und 2020 geht es um den Tag, an dem es passierte. Statt der üblichen vitalen Überlebenswilligen stellt der Film eine Frau mit Krebs im Endstadium ins Zentrum. Was macht die Katastrophe mit jemanden, der eigentlich keine Chance mehr hat?
Schon 2018 überraschte John Krasinski als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller mit einem Weltuntergangs-Szenario, das ganz ohne Getöse auskam. Nach einer Alien-Invasion hing das Leben der Familie Abbott davon ab, dass sich alle geräuschlos bewegten, denn die rasend schnellen Aliens, die wie eine Heuschreckenplage über die Welt gekommen waren, sind blind, haben aber einen hochentwickelten Gehörsinn. Da jeder andere Mensch ein potenzielles Geräusch-Risiko ist, und Städte per se ein lauter Lebensraum sind, hatte sich das Ehepaar Abbot mit den drei Kindern in die Abgeschiedenheit der Natur zurückgezogen. Dort verlagerten sich die Probleme und Überlebensstrategien, statt ums Rennen, Schreien und Kämpfen ging es um größtmögliche Ruhe, in einem Film, der damit quasi zum Anti-Emmerich wurde.
John Krasinski stellte die Zuschauer damals abrupt vor vollendete Tatsachen, katapultierte sie mitten hinein in den Alltag nach der Katastrophe. Michael Sarnoski liefert jetzt die Vorgeschichte dazu, den Tag 1 in New York, bleibt dabei aber seiner Indie-Herkunft auch in seinem ersten großen Studio-Film treu. Auch bei ihm gibt es einen überraschenden Twist, denn während alle ums Überleben kämpfen, stellt er eine junge Frau ins Zentrum, die mit Krebs im Endstadium eigentlich nur noch sterben will. Was macht der Weltuntergang mit einem Menschen in einer ohnehin aussichstlosen Lage? Zunächst mal werden die Überlebensinstinkte wachgekitzelt. Lupito Nyong'o lässt diese junge Schriftstellerin zwischen schlecht gelaunter Ruppigkeit und fragiler Verletzlichkeit oszillieren.
Nur widerwillig hat sich ihre Samira zum Gemeinschaftsausflug nach New York überreden lassen, dem Theaterbesuch zugestimmt, gegen das Versprechen einer Pizza, die ihre letzte sein könnte. Als die Hospiz-Reisegesellschaft sich gerade anschickt, nach der Vorführung in den Bus zu steigen, macht sich Unruhe breit, ein zunächst diffuses Chaos. Nach einer Detonation wird die ganze Stadt in eine Staubwolke gehüllt, die an den Anschlag vom 11. September 2001 erinnert. Der Lärm der Einschläge ist ohrenbetäubend, setzt den Gehörsinn schachmatt.
Erstaunlich schnell begreifen die Menschen, dass die Invasoren, die ähnlich wie Ridley Scotts »Alien« an gigantische Insekten erinnern, und sich mit einem metallischen Zikadengeräusch ankündigen, nichts sehen können. Danach geht es vor allem darum, die Panik zu unterdrücken, nicht zu schreien, nicht zu rennen, Orte zu finden, die menschliche Geräusche tarnen, ein Brunnen, ein Regenschauer, die Alarmanlage der Autos.
Für die Standardsituationen der Apokalypse interessiert sich der Film nur am Rande, viel wichtiger ist die Sehnsucht nach Nähe und Trost, durch einen anderen Menschen oder auch eine kleine schwarzweiße Katze namens Frodo, deren Schnurren schon wieder gefährlich werden könnte. So wird der apokalyptische Horror zur Kulisse für intime Gefühle und menschliche Dramen.
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