Kritik zu Fast Food Nation
Richard Linklaters zahmer Spielfilm über industrialisierte Fleischproduktion
Eine bestechende Idee – auf dem Papier: Regisseur Richard Linklater (»Before Sunset«) hat die Fakten des Sachbuch-Bestsellers Fast Food Nation, 2001 von dem US-Journalisten Eric Schlosser veröffentlicht, als Folie für einen Spielfilm genutzt – mit der Absicht, so möglichst viele Menschen für die Probleme der industriellen Fleischproduktion zu sensibilisieren. Aber: Linklater hat seine Geschichte in unterschiedliche Handlungsstränge aufgefächert, die er viel zu nachlässig und unkonzentriert zusammenführt. Die zahlreichen Charaktere hat er nur unzureichend entwickelt. So wird der Regisseur Schlossers schockierender Recherche nicht gerecht.
Linklater begleitet zunächst Don Henderson (Greg Kinnear), den Marketingchef der Fast-Food-Kette Mickey's, die sich als fiktiver Konkurrent von McDonald's oder Burger King beschreiben lässt. Henderson, Erfinder des Verkaufsschlagers »The Big One«, hat ein Problem: In dem Burgerfleisch wurden Spuren tierischer Fäkalien nachgewiesen. Erste Station seiner Recherche: die Fleischfabrik in Cody, Colorado. Hier führt Linklater weitere Figuren und neue Themen ein, die vom eigentlichen Anliegen wegführen. Illegal eingewanderte Mexikaner, unter ihnen Sylvia (Catalina Sandino Morena aus »Maria voll der Gnade«), arbeiten in der Fabrik unter unmenschlichen Bedingungen: schmutzig, abstoßend, lebensgefährlich. Währenddessen bedient Amber (Ashley Johnson) nach der Schule in einer Mickey's-Filiale, voller Zweifel, ob sie den Job nicht schmeißen und die todgeweihten Kühe von ihrer Weide befreien sollte.
Beim Versuch, einen Robert-Altman'schen Reigen zu knüpfen, lässt Linklater zu viele Fäden fallen. Einige der interessantesten Charaktere schauen nur kurz vorbei. Kris Kristofferson zum Beispiel als illusionsloser Rancher, der das Geschäft schon viel zu lange kennt, Ethan Hawke als Ambers eigenwilliger Onkel und Bruce Willis als abgebrühter Regionalvertreter von Mickey's, der die Essenz des Films, wörtlich und übertragen, auf den Punkt bringt: »Wir alle essen ein bisschen Scheiße von Zeit zu Zeit.« Nebenhandlungen führt Linklater nicht fort, Hauptdarsteller Greg Kinnear verschwindet nach seiner Unterhaltung mit Bruce Willis praktisch aus dem Film. Schwächen des Drehbuchs, die »Fast Food Nation« einen fragmentarischen Eindruck verleihen.
Zugegeben: Linklater hält einige unbequeme Wahrheiten parat: über das Leid der Tiere, die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, die Profitorientierung der Fleischproduktion, die ungesunde Ernährung. Doch sein Bedürfnis, Fakten und Hintergründe in einen narrativen Kontext zu kleiden und als fiktive, konsumable Geschichte zu präsentieren, nimmt dem Film viel von seiner Brisanz. Vielleicht ist das, was der Fantasie der Drehbuchautoren entsprang, nur halb so wild. Ein Dokumentarfilm wie Nikolaus Geyrhalters »Unser täglich Brot«, erst kürzlich im Kino, war da viel verstörender: Kühe, die mit einem Bolzenschuss getötet, der Länge nach zersägt und in aller Eile ausgeweidet werden – Geyrhalter schaute nicht weg. Linklater hingegen wagt nur einen schamhaften Blick. Für ein aufrüttelndes Pamphlet ist sein Film nicht mutig genug.
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