Mubi: »Yannick«

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Er will den Autor sprechen!

Ja, Theater kann langweilig daherkommen. Schon der Titel »Le Cocu«, was so viel bedeutet wie »Der Hahnrei«, weist auf ein Boulevardstück hin. Ist das ein Grund, um gleich die Schauspieler in Geiselhaft zu nehmen? Mit dieser irritierenden Situation spielt Quentin Dupieux in seinem neuen Film. Yannick ist zugleich der Name des Protagonisten. Raphaël Quenard spielt einen schrägen Vogel, der sich auf eigenwillige Weise vorstellt. Während Paul (Pio Marmaï), Sophie (Blanche Gardin) und William (Sébastian Chassagne) in einem Pariser Theater ein Stück über einen gehörnten Ehemann aufführen, erhebt Yannick sich im Zuschauerraum und wendet sich an die verdutzten Darsteller auf der Bühne. Höflich, aber mit Nachdruck erklärt er, das Dargebotene sei miserabel. Als Nachtwächter habe er sich extra freigenommen. Eine Dreiviertelstunde sei er mit dem Bus unterwegs gewesen. Er habe ein Recht auf bessere Unterhaltung. Den Autor des Stück wolle er sprechen, unverzüglich. Was, der ist nicht anwesend? Muss der Koch im Restaurant nicht auch jeden Abend vor Ort sein? Aber ein Bühnenstück ist doch kein Stück Fleisch!

Selbstreflexionen über die Inszenierung gehören zu den Themen des Popmusikers und Filmregisseurs Quentin Dupieux. In »Yannick« bleibt er sich treu. So erscheint der schräge junge Mann, der das Bühnenstück unterbricht, selbst wie eine Theaterfigur. Der Film verbeugt sich vor Luigi Pirandellos berühmtem Stück, in dem sechs Personen ihren Autor suchen. Doch auch die Sicherheit dieser Einordnung wird alsbald erschüttert.

Als die drei genervten Schauspieler den lästigen Zuschauer hinausgeworfen haben, bekommt Yannick an der Garderobe mit, wie man sich drinnen über ihn lustig macht. Der Querulant zieht daraufhin eine Pistole und nimmt das Theater in Geiselhaft. Laptop und Drucker lässt er sich auf die Bühne bringen, um selbst ein Stück zu schreiben. Wird der Erguss aus der Feder dieses Verrückten besser sein als »Le Cocu«?

Diese Frage hält der Film eine Zeit lang geschickt in der Schwebe. Ist Yannick ein subversiver Künstler oder vielleicht doch ein blutrünstiger Psychopath? Einen Moment lang scheint die Situation zu kippen. Leutselig redet er mit einem Pärchen im Publikum und fordert es plötzlich mit gezogener Waffe auf, vor ihm Liebe zu machen. Nein, um Gottes willen. Das sei doch nur ein Scherz. Er sei ja nicht pervers. Was aber will dieser junge Mann mit seinem gewöhnungsbedürftigen Humor wirklich?

Allmählich beschleicht einen der Verdacht, dass der Regisseur selbst nicht so genau weiß, wohin die Reise geht. Der Film erzeugt die Anmutung eines Experiments mit offenem Ausgang. Es geht um Improvisation und Überraschung. Der Film, dessen provokativer Gestus in manchen Momenten an Christoph Schlingensief erinnert, flirtet mit dem Dilettantismus. Mit diesem Konzept manövriert Dupieux sich allmählich in eine Sackgasse. Wohl nicht zufällig endet sein Film nach 60 Minuten.

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