Kritik zu Andrea lässt sich scheiden

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Josef Hader inszeniert die wunderbare Birgit Minichmayr als wortkargen Cowboy mit Gewissensbissen in der niederösterreichischen Provinz. Ein bisschen böser hätte die Farce aber sein dürfen

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Tote Hose in der niederösterreichischen Pampa. Tagsüber ein bisschen auf der Landstraße blitzen, abends Schnaps in der eichegetäfelten Kneipe kippen. Von dieser privaten wie beruflichen Einöde hat Polizistin Andrea (Birgit Minichmayr) die Nase voll. Sie hat sich von ihrem Mann Andy getrennt, wohnt temporär bei ihrem Vater und freut sich darauf, bald eine neue Stelle in St. Pölten anzutreten. Auf einer Geburtstagsfeier startet Andy im Suff einen letzten Versuch, ihre Beziehung zu kitten. Andrea will nicht und kann ihm gerade noch den Autoschlüssel abluchsen, so dass er sich fluchend und torkelnd auf den nächtlichen Heimweg macht. Als Andrea später dieselbe Landstraße nimmt, rammt sie versehentlich ihren Ex und begeht – nach erfolglosen Wiederbelebungsversuchen – kurz entschlossen Fahrerflucht. Später in der Nacht überbringt ihr ein Kollege die Nachricht von Andys Tod. Am Unfallort wird ihr Franz (Josef Hader) als reuiger Unfallfahrer präsentiert, und niemand bis auf Andrea weiß, dass der den bereits toten Andy zum zweiten Mal überfahren haben muss. 

Die Ausgangslage für den zweiten Spielfilm von Josef Hader nach seinem Debüt »Wilde Maus« ist bereits herrlich makaber. Aber es kommt natürlich noch schlimmer. Die Dorfgemeinschaft verurteilt den von Schuldgefühlen geplagten Franz, er rutscht ab. Zuerst verliert er seinen Job als Lehrer, dann fängt er nach fünf Jahren Abstinenz wieder an zu trinken, hängt nachts in der örtlichen Dorfdisco ab. Andrea wiederum hat sich erst mal halbwegs im Griff. Sie versucht, Franz zu helfen und trotzdem ungeschoren davonzukommen. Ihre Fähigkeiten als gute Polizistin lassen sich dabei überraschend gut in kriminelle Finesse umwandeln. Die Dynamik der beiden bietet reichlich Gelegenheit für lakonische Situationskomik. Hader lässt diesen traurig sein vermeintlich gerechtes Schicksal tragenden Franz ursympathisch wirken, wenn er die resoluten Rettungsversuche von Andrea bescheiden zurückweist. 

Beim Schreiben des Drehbuchs hatte Hader die Figur von Andrea als weiblichen Cowboy im Kopf, Minichmayr erfüllt ­diese Vorstellung perfekt. Ihre Andrea ist der Prototyp eines lonesome rider. Indem Hader sie mit der archaischen Dorfgemeinschaft konfrontiert, zeigt er trotzdem nuancierte Kritik am patriarchal-ruralen Machogehabe. An­­drea weiß sich dagegen ebenso zu wehren wie gegen die Avancen ihres neuen Vorgesetzten (schmierig bis putzig: Robert Stadlober).  

Auch Hader liefert hier wie schon in »Der Knochenmann« oder »Vor der Morgenröte« eine sehr gute Schauspielleistung. Der in Deutschland bekannteste österreichische und in seiner Heimat erfolgreichste Kabarettist ist für seinen scharfen Humor berühmt und hätte als Drehbuchautor hier durchaus noch eine Schippe drauflegen können. So steuert die vergnügliche Schuld-und-Sühne-Farce mit einigen Abzweigungen und Stolperfallen, pointierten Dialogen (hochdeutsche Untertitel sind hier bitter nötig) und dem absurdesten Duo seit »Turner & Hooch« einem plausiblen, aber auch etwas enttäuschenden Finale entgegen.

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