Kritik zu Das Erwachen der Jägerin

© Tobis Film

2023
Original-Titel: 
The Marsh King's Daughter
Filmstart in Deutschland: 
25.01.2024
L: 
108 Min
FSK: 
12

Daisy Ridley spielt in Neil Burgers neuem Thriller eine Frau, die mit ihren Eltern in der Freiheit der wilden Natur, fernab der Zivilisation, aufwuchs, bevor sie begreifen musste, wer ihr Vater wirklich war. Dann taucht er wieder auf

Bewertung: 4
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Die ersten Bilder wecken Erinnerungen an Filme wie »Captain Fantastic«, an Väter, die ihre Töchter fern der Zivilisation aufziehen, ihnen Überlebenstechniken in der Wildnis beibringen: ein Reh jagen, die erbarmungslosen Gesetze der Natur verstehen, sich in Sicherheit bringen. Für die zehnjährige Helena ist die Welt ein aufregender Abenteuerspielplatz, dessen Spuren und Zeichen sie akustisch und visuell lesen kann, bis ins leiseste Geräusch des Windes, der Tiere, der Insekten. »Das Erwachen der Jägerin« ist auch eine Schule der Wahrnehmung. Ihren Vater Jacob bewundert Helena, ehrgeizig will sie vor ihm bestehen, während ihre Mutter seltsam distanziert, fast depressiv wirkt. Helena ahnt nicht, dass die Fürsorge des Vaters vergiftet ist, dass er vor allem sich selbst schützt – und sein kriminelles Tun.

Schon in »The Illusionist« (2006) und­ ­»Ohne Limit« (2011) hat der amerikanische Regisseur Neil Burger ein besonderes Faible für trügerische Oberflächen und die dahinter verborgenen Wahrheiten gezeigt. Hier reißt der Vorhang, als ein Fremder sich in den Wald verirrt, während der Vater allein jagen ist. Die Mutter nutzt den Moment, reißt ihre Tochter aus der scheinbar heilen Welt und flieht mit ihr in die Zivilisation. 

Helena fällt es schwer, zu glauben, dass ihr Vater die Mutter gekidnappt und vergewaltigt haben soll, bevor ihr nach elf Jahren endlich die Flucht gelingt. Plötzlich wird der Vater zum gejagten Schwerverbrecher, zum gefährlichen Psychopathen. Ben Mendelsohn spielt erneut sein besonderes Talent für widersprüchliche Charaktere aus, die man liebt und zugleich hasst. In einem Moment wirkt er vertrauenerweckend beschützend, im nächsten schlägt die väterliche Strenge in lebensbedrohliche Unberechenbarkeit um.

Was gerade noch ein Abenteuer war, wird zum Trauma, mit dem Helena auch zwanzig Jahre später noch ringt. Notdürftig hat sie sich eingerichtet, undercover im bürgerlichen Leben mit Mann und Kind, mit Familie und Bürojob, einem Leben, das klaustrophobisch und steril wirkt im Kontrast zur sinnlichen Weite der Marschlandschaften von Michigan. Und dann bricht mit Wucht die Vergangenheit wieder über sie herein. Dem Vater gelingt die Flucht aus dem Hochsicherheitstransport, Helena weiß, dass er seinen »kleinen Schatten« suchen und finden wird, und hadert damit, wie sie damit umgehen soll.

Daisy Ridley, die schon im »Star Wars«-Universum als entschlossene Kämpferin aufgefallen ist, spielt die erwachsene Helena einerseits wie ein wachsames Reh, das jedes Signal aus der Umgebung aufnimmt. Zugleich verrät ihr drahtiger Körper in der Anspannung eine zähe Widerstandskraft, die keinen Zweifel lässt, dass sie nicht weglaufen, sondern ihren Vater konfrontieren wird.

Das Spannungsverhältnis zwischen Vater und Tochter mit all den wirren Gefühlen, zwei Schauspieler, die diese Widersprüche zum Schillern bringen, dazu die wildromantische Sinnlichkeit der Sümpfe und Wälder: Es spricht sehr viel für den neuen Film von Neil Burger, ein paar dramaturgische Makel, vor allem zum Ende hin, möchte man da gern verzeihen.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt