Lass es raus, Mann!

 Man kann diese Filme vielleicht zusammenfassen als Versuche eines Halb-Slackers, zu einem nützlichen Mitglied der Gesellschaft zu werden, ohne sich Attribute eines traditionellen Helden anzumaßen. Oder als Versuche eines Schauspielers, zu einer präziseren und ehrlicheren Technik zu gelangen. Intimität und Direktheit anstelle der großen Gesten und der großen Bilder machen diese Geschichten gerade deshalb glaubwürdig, weil Ben Affleck offenbar gelernt hat, den Rahmen zu nutzen, der ihm gegeben ist. Und ihm und seinen Regisseuren ist vielleicht überdies klar geworden, dass er zwar nicht die Aura eines Helden, aber die Widersprüchlichkeit eines Typus aufweist, von einem, der – wie dann später in Runner Runner  – aus dem Zwielicht kommt und die Schwächen seiner Welt ausnutzt. Ben Affleck ist immer da interessant, wo es um die dunkle Seite geht, die des Typus und die der Welt. Das ist es vielleicht, was uns gefehlt hat in vielen der früheren Ben-Affleck-Filme, dass dieser Typ seine Abgründe so unbeholfen verborgen hat, anstatt uns einen kleinen Einblick in sie zu geben: Es sind schließlich nicht seine Abgründe allein.

 
In The Town (2010) inszeniert sich Ben Affleck als gut-böser Mann. Der Outlaw, der Bankräuber, der »Vernünftigste« der Gang, trockener Alkoholiker übrigens. Es ist fast immer Nacht.
 
Es ist also wohl nicht so sehr die Frage, ob Ben Affleck ein »guter Schauspieler« ist, sondern eher die, ob Schauspiel und Regie ein gemeinsames Gefühl des Timings erlangen. Wenn, etwa in einem so torfdummen Film wie Pearl Harbor, die Regie auf ein »gewöhnliches« Timing setzt, dann verliert sich der Slow-Burn-Effekt in Afflecks Spiel, und der arme Kerl sieht nur noch ein wenig begriffsstutzig oder verpeilt aus. In Argo zum Beispiel, wo Ben Affleck das Zentrum einer großartigen Verschwörung zur Befreiung von Geiseln in der Maske einer Filmcrew gibt, ist seine »Langsamkeit« als wesentlicher Bestandteil des gelingenden Coups selbst auszumachen. Übrigens ist Affleck, mit Bart, Brille und fülligem Schwarzhaar, hier kaum zu erkennen, seine Jungenhaftigkeit ist nur noch eine Ahnung.
 
© Warner Bros.
 
Ben Affleck ist der Kumpeltyp, der Kerl, der immer aussieht, als wäre er Teil einer brüderlichen Gemeinschaft und hätte gerade seinen anderen Teil verloren, was Probleme mit der Welt generiert. Diese Welt ist ein seltsamer Ort. Ein Ort zum Grinsen, Staunen und Verzweifeln. In Afflecks Blick liegt die sehr amerikanische Variante von Entfremdung. Wunderbar funktionierte das in den Filmen von Kevin Smith. Bartleby heißt Affleck in Dogma. Wie der Angestellte in Herman Melvilles berühmter Erzählung, der »lieber nicht möchte« und am Ende jede Tätigkeit verweigert. Höchstens halb da, aber keine Ahnung, wo sich die andere Hälfte herumtreibt. Die Zeit, die vergeht, bevor einer wie Affleck auf eine Herausforderung reagiert, ist erheblich überdurchschnittlich. Das ist eine Seite von Slow Burn. Wenn er dann endlich aufwacht, kann es geschehen, dass die Reaktion übertrieben oder sogar brutal ausfällt. Das ist der zweite Slow-Burn-Effekt des Ben Affleck. Und der dritte besteht in der Tat darin, dass er immer zusieht, wie weit es die Welt wohl noch mit ihm treiben wird, bevor er seinerseits zur Aktion schreitet. So wenig der Slow Burn zu jedem Film passt, so wenig passt er in jede Zeit und zu jedem Publikum. Das Zögern als Haltung der Welt gegenüber – man kennt es aus den frühen Filmen der Nouvelle Vague – widerspricht dem amerikanischen Grundnarrativ.

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