Kritik zu Alaska

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Ein Roadmovie zu Wasser: In den verschlungenen Gräben und Wasserstraßen Mecklenburg-Vorpommerns paddelt eine nicht mehr ganz junge Frau in die Familienvergangenheit und findet dann ihr ganz persönliches Alaska

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Über 2000 Kilometer den Yukon hinauf wollte Kerstins Vater paddeln, bis ins kalte, einsame und in seiner Reinheit faszinierende Alaska. Für einen Weltklassekanuten der ehemaligen DDR wäre eine solche Reise zwar physisch möglich gewesen, doch musste sie in der Diktatur fantastische Utopie bleiben. Für seine Tochter Kerstin (Christina Große) ist Alaska nun Wirklichkeit und Traum zugleich. Und so setzt sie sich selbst in das knallrote Fiberglasboot aus vergangenen Zeiten und paddelt im Kreis durch die Mecklenburger Seenplatte, 2000 ideelle Kilometer. Immer wieder macht sie an denselben Orten halt und verwindet dadurch den schließlich doch überraschenden Tod des Vaters, den sie jahrelang gepflegt hatte. Sie wird dabei verfolgt von ihrem Bruder und dessen Frau, der bei ihr die gesamten Ersparnisse des Vaters vermutet und ihr Unterschlagung vorwirft. 

Aber ihre Reise ist keine Flucht. Weder vor der eigenen Gegenwart der Trauer noch vor der Vergangenheit. Und vor dem Bruder, der sich aus der Betreuung des Vaters völlig raushielt, nun aber das Geld haben will, erst recht nicht. Es ist eher eine Reise ins Land der Kindheit, eine Bewegung, die Stillstand vermeidet und doch nirgendwohin führt, eine Art Selbstbesinnung oder stille Einkehr bei sich selbst. 

Kerstin meidet Gesellschaft, vor allem die von Männern, schläft auf den immer gleichen Campingplätzen zwischen Urlaubern und Partygängern in einem kleinen Zelt, bis sie Alima (Pegah Ferydoni) trifft und sich leidenschaftlich in sie verliebt. Auch Alina ist auf der Suche, will weg von ihrem Ex-Liebhaber, mit dem sie noch einmal Urlaub zu machen versucht, und hat auch ein Kajak. Zusammen ziehen Kerstin und Alina nun ihre Kreise und man weiß nicht, wohin das führen wird. Am Schluss entschwinden beide aus dem Blickfeld der Kamera, die ungerührt bleibt. 

»Alaska« ist ein stiller Film, der sich Zeit nimmt, 124 Minuten, um Heldin und Landschaft eins werden zu lassen. Ein Roadmovie zu Wasser, das in meditativ langen Einstellungen das Gesicht der Natur ebenso zu erkunden versucht wie die Natur in den Gesichtern. Regisseur Max Gleschinski hält sich nicht mit Erklärungen auf, sondern lässt den Zuschauer erfahren, was es bedeutet, den Alltag abzustreifen und aus der reinen Idee eine Reise werden zu lassen. In kleinen, ganz realistisch gehaltenen Begegnungen versteckt er Schicksale, eingefahrene zwischenmenschliche Verhaltensmuster und stille Hoffnungen. 

Ein Ziel, so wird bald klar, gibt es hier nicht. Und wenn man dann in einer kleinen Rückblende erfährt, was mit dem Geld passiert ist, dann weiß man, dass es in »Alaska« auch nie um materielle Reichtümer ging. Selbst wenn die Verfolgungsjagd zwischen Bruder und Schwester am Ende etwas klamottig gerät, so ist »Alaska« doch ein kleiner Film voller Überraschungen, der beim Max Ophüls Preis zurecht als Bester Spielfilm ausgezeichnet wurde.

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