Kritik zu 20 000 Days on Earth

© Rapid Eye Movies

2014
Original-Titel: 
20 000 Days on Earth
Filmstart in Deutschland: 
16.10.2014
L: 
97 Min
FSK: 
6

Ein Musikfilm, wie er nur von Nick Cave stammen kann: abgefasst in typischer Cave-Poesie und trotzdem ein Film nicht nur für Fans

Bewertung: 5
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 2)

Musik und Film sind heute zwei Kunstformen, die sich einander so sehr angenähert haben, dass man eine Trennung nicht mehr für möglich hält. Kaum ein Konzert, dass nicht filmische Bilder projiziert, kaum ein Film, der allein aus Bildern und Sprache besteht. Doch wenn Musik Thema eines Films wird, dann ist das Ergebnis immer wieder hilflos und ohne wirklichen Erkenntniswert. Nick Caves 20 000 Days on Earth ist da eine großartige Ausnahme. Und das liegt vor allem an dem Text von Nick Cave, dem dunklen Klang seiner Stimme und den poetischen Metaphern, die er findet. Diesem Text scheinen sich die Bilder von Iain Forsyth und Jane Pollard spielend unterzuordnen. Sie nehmen den Rhythmus der Sprache auf und überführen diese in Musik und zurück zum Bild. Man fühlt sich, als sähe man eines der großartigen Nick-Cave-Stücke von innen, mit dem Blick auf eine Welt, die außer Nick Cave selbst niemand versteht.

Nick Cave wurde am 22. September 1957 geboren. Es lässt sich also leicht ausrechnen, wann sein zwanzigtausendster Tag auf Erden war. Und doch bleibt es ein märchenhaft fiktiver Tag, ein Tag, der das ganze Leben zu einem Moment zusammenschnurren lässt und doch so viel größer ist als nur 24 Stunden. Nick Caves Tag beginnt wie bei den meisten Menschen am Morgen im Bett. Neben ihm schläft seine Frau ungerührt weiter, er geht ins Bad und trifft sich im Spiegel. Dazu kommen die ersten Klänge. »No Bad Seeds«, möchte man sagen oder: »Happy Birthday Party« – Nick Cave schreibt sich in den Film ein, wie er das auch in jedem seiner Songs getan hat. Mit Anspielungen aus der Bibel, dem eigenen Leben in Australien und England, der Popkultur und der Literaturgeschichte, verstiegen, umfassend eitel und schlichtweg genial. Wer sich die Mühe gemacht hat zu verstehen, wie Hannah Montana, Luzifer und ein zum Tode verurteilter Mörder zusammenhängen, der wird sich in diesem Film bestätigt fühlen. Alle anderen erleben eine Art Achterbahnfahrt.

Zwischendrin taucht einmal Blixa Bargeld von den Einstürzenden Neubauten neben Cave im Auto auf, und beide unterhalten sich über die gemeinsame Zeit bei den Bad Seeds. Blixa, der nach eigener Aussage nie Gitarre spielen gelernt hat, aber dieses Nicht-Spielen-Können so lange perfektionierte, bis er darin unschlagbar wurde, erzählt ganz prosaisch, warum er damals ausstieg. Zwei Bands und eine Ehe seien einfach zu viel für ihn gewesen. Nick Cave hingegen scheint Energie für zehn zu haben.

Es gibt zahllose Momente, in denen man dem Mann mit der betörenden Stimme näherkommt, wenn man sieht, wie er mit seinen Zwillingen spielt oder am Klavier sitzt. Wie er die anderen Musiker führt, als seien all die Songs auch wilde Improvisationen. Und dann endet der Film, der zu großen Teilen auch eine ganz normale Biografie war, mit einem unvergesslichen Auftritt und der Stille danach.

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