Kritik zu Barbie
Die erste Realverfilmung der weltberühmten und polarisierenden Puppe überrascht mit originellen Ideen, verzettelt sich aber in zu vielen Handlungssträngen
Seitdem Barbie am 9. März 1959 das Licht der Weltöffentlichkeit erblickte, sorgt sie für Kontroversen. Für die einen symbolisiert sie alles, was Frauen unterdrückt. Von unrealistischen Körperidealen bis hin zu stereotypen Rollenklischees. Für andere ist Barbie ein feministisches Vorbild, das schon in den 1960er Jahren als Ärztin, Wissenschaftlerin, Astronautin oder Präsidentschaftskandidatin in männlich dominierte Sphären vordrang.
Die Marke Barbie jedenfalls ist weit über die Grenzen der USA hinaus bekannt. Die erste Realverfilmung war somit nur eine Frage der Zeit. Zwischenzeitlich war Amy Schumer, dann Anne Hathaway für die Titelrolle unter der Regie von Patty Jenkins im Gespräch, bis Greta Gerwig gemeinsam mit Noah Baumbach zunächst für das Drehbuch, dann als Regisseurin verpflichtet wurde. Spätestens als erste Setfotos mit Margot Robbie und Ryan Gosling in schrillen Neonklamotten auf Inlinern kursierten, begannen sich viele dafür zu interessieren, was die für ihre feministische Haltung bekannte Gerwig aus dem Stoff wohl machen wird.
In Plastik gegossene Misogynie oder Ikone weiblicher Selbstbestimmung? Schon das Intro bricht mit jeder Erwartungshaltung und inszeniert Barbies Genese als Reminiszenz an Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum«. Danach explodiert auf der Leinwand ein in Pink und Glitzer getünchter Fiebertraum von Matriarchat. Für alle Barbies, die übrigens erfreulich divers besetzt sind, ist Barbieland das Paradies. Das sieht auch »Stereotypical Barbie« (Margot Robbie) so. Zwischen Dreamhouses, Beachvolleyball und Mädelsabenden haben die Kens nichts zu melden. Ihre Daseinsberechtigung besteht allein darin, die Aufmerksamkeit der Barbies zu erhaschen. Ein fieses, aber herrlich konsequentes Gedankenspiel. Die Pastell-Idylle bekommt erste Risse, als Stereotyp-Barbie Veränderungen an sich bemerkt, die der Anfang einer schrecklichen Metamorphose zu sein scheinen. Um diese zu verhindern, muss sie in die reale Welt reisen und das Mädchen finden, das dort mit ihr spielt.
Wie Barbie mit ihrem Ken im Schlepptau mit einer patriarchalen, sexistischen Welt kollidieren, sorgt für gelungene Situationskomik und hätte als Rahmenhandlung ausgereicht. Aber bald ist ihnen die Chefetage des Mattelkonzerns auf den Fersen und eine wirre Verfolgungsjagd nimmt ihren klamaukigen Lauf. Gerwig will zu viel in zu kurzer Zeit, ästhetisch wie narrativ. So erlaubt die Bildgestaltung kein Verweilen im durchgestylten Setting der Barbieworld, wo es soviel mehr zu entdecken gäbe. In der zweiten Hälfte zerfasern einige Storylines und interessante Figuren wie die aus Saturday Night Live bekannte Comedienne Kate McKinnon als »Weird Barbie« kommen zu kurz. Andere Szenen weisen arge Längen auf. Auch Margot Robbie in der Rolle der Plastikpuppe, die menschliche Gefühle entwickelt, überzeugt nicht ganz. Ryan Gosling stiehlt ihr mehrfach die Show und stürzt sich so vorbehaltlos und wasserstoffperoxydblond in die Rolle Kens, das diskutabel wird, wer hier eigentlich die Hauptrolle spielt. Trotzdem ist Barbie ein unterhaltsamer Blockbuster, der viel Liebe zum Detail in Kostüm, Setting, selbstironische Gags und filmhistorische Anspielungen investiert. Auch die feministischen Proklamationen sind meistens humorvoll in die Handlung eingebettet.
Völlig offen bleibt, an welche Zielgruppe sich Barbie richtet. Kinder, die noch mit Puppen spielen, dürften ebenso herausfallen wie Teenager, die noch keine nostalgischen Regungen verspüren, während Erwachsene der quietschtbunte Overkill des Spektakels abschrecken könnte. Welches Publikum hatte Gerwig also im Hinterkopf? Vielleicht liegt hier der wirklich subversive Moment: Gerwig hatte einfach Lust, ein geschätztes Budget von 100 Millionen US-Dollar auf den Kopf zu hauen, um in persönlichen Kindheitserinnerungen zu schwelgen und die Drehtage mit einem halbnackten Ryan Gosling am Set zu verbringen – und ein kurzweiliges Knallbonbon zu zünden.
Kommentare
Zwiespältig!
Barbie ist ein grandioser quietschbunter Film mit subversiver Botschaft. Für Kinder ist er nicht geeignet, wohl eher für die gequälten Mütter, die Endlosdiskussionen im Kinderzimmer geführt und doch gegen die Übermacht dieser Puppe auf verlorenem Posten gekämpft haben. Sie amüsieren sich prächtig bei den Seitenhieben, die hier ausgeteilt werden und den lustigen Einfällen. Barbieland als Matriachat! Eine tolle Idee. Doch ganz im Hinterkopf bleiben die Vorbehalte. Der Film tut keinem weh, dafür ist er zu soft, zu abgefedert. An manchen Stellen wäre mehr drin gewesen. Mattel kann sich die Hände reiben. Jetzt kommt eine weirde Barbie auf den Markt. Besser kann es für den Konzern doch nicht laufen. Irgendwie weird! Er wurde ja im Film mit Samthandschuhen angefasst. Ebenso hätte man sich bei dem Stichwort Diversität etwas mehr gewünscht.
Ist doch gut so
3 Sterne sind zu wenig für einen so unterhaltsamen Film. Wir leben seit einem halben Jahrhundert in der Postmoderne, da darf dann ein Film, der einfach nur ein neonpinkes Knallbonbon sein wollte auch einfach mal besser wegkommen. Das Publikum ist definitiv überzeugt
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