Apple TV+: »Still: A Michael J. Fox Movie«
Es gibt eine Sequenz in »Zurück in die Zukunft« (1985), in der Marty McFly auf dem Skateboard durch die Straßen flitzt und seine Verfolger, feiste Teenager im Straßenkreuzer, in einem Misthaufen stecken bleiben. Es ist die wohl ikonischste Szene in Robert Zemeckis' Komödienhit. Der quecksilbrige Held, klein, aber oho, steht für die Unbekümmertheit der 80er und frühen 90er Jahre. In »Still: A Michael J. Fox Movie« aber wird der fröhlich stimmende Anblick des Teenagers, der in Sneakern die biederen Fünfziger aufmischt, durch eine düstere, neue Bedeutung überlagert. Michael J. Fox schildert nämlich, wie er in seiner Jugend in Kanada als kleinster seiner Klasse den fiesen großen Jungs davonlaufen musste. Das ruft im Kopf des Zuschauers wiederum Bilder aus Zemeckis' Tragikomödie »Forrest Gump« wach. Doch anders als Glückskind Forrest Gump fand sich Michael J. Fox plötzlich im falschen Film wieder.
Im Jahre 1990, nach einer durchzechten Nacht, merkte der Schauspieler, dass sein kleiner Finger unkontrolliert zitterte: die ersten Symptome von Parkinson. Regisseur Davis Guggenheim bebildert seine Chronik mit einer Mischung aus fiktiven und dokumentarischen Aufnahmen. In rasantem Tempo reiht er Reenactment-Szenen, dokumentarische Aufnahmen von damals und heute und Szenen aus Fox' eigenen Filmen aneinander. Der Regisseur kann auf reichlich Material aus Spielfilmen und Sitcom-Auftritten zurückgreifen. Er schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe, beleuchtet einerseits die Karriere des Schauspielers und, »Life imitates Art«, sucht sich aus dessen Filmen das Passende heraus, um Fox' Biografie nachzuerzählen. Beglaubigt wird diese filmische Slideshow durch Fox' Aussagen. Aus diesen Schnappschüssen setzt sich das Porträt eines sympathisch-gewitzten Mannes zusammen, der sein vermeintliches Manko – seine Kleinheit – als Chance begriff und als Teenager in Kinderrollen den Weg nach Hollywood fand. Gegen das Votum des Produzenten wurde er als Hauptdarsteller von »Zurück in die Zukunft« engagiert. Neben den Filmdreharbeiten arbeitete er weiter täglich für eine Sitcom und war nach diesem monatelangen Kraftakt mit 20-Stunden-Tagen so erschöpft, dass er sich für seine Leistung entschuldigte. Stattdessen wurde er ein Superstar, inklusive der negativen Begleiterscheinungen des plötzlichen Ruhms. Mitten im Trubel ereilte ihn die furchtbare Diagnose, die Fox mit Alkohol und Ausrastern zu verdrängen suchte. Es ist bewegend, wie Fox ohne jedes Selbstmitleid erzählt, wie er aus dem Tief herausfand, wie er, trotz seiner Beeinträchtigungen, Worte zu formulieren versucht; zu sehen, wie ihn, schwankend, fallend, seine schlackernden Gliedmaßen im Stich lassen. Seine einst »Schüttellähmung« genannte Krankheit wirkt wie ein paradoxes Echo auf die Rastlosigkeit seiner Filmrollen. Denn nun kann er nicht still sitzen.
Guggenheim (»Eine unbequeme Wahrheit«, 2006) erweist sich als Meister sinnstiftender Montage. Seine Virtuosität ist zugleich das Problem. Man hat den Eindruck, dass ein »Narrativ« bebildert, eine Folgerichtigkeit inszeniert wird, die in Wahrheit nur grausamer Zufall ist. Allerdings sagt Fox selbst, dass er mit diesem Dokumentarfilm, in dem er ungeschönt seine Gebrechlichkeit preisgibt »das Narrativ kontrollieren« kann. Ein wenig unterbelichtet bleibt jene Phase zwischen der Diagnose 1990 und seinem »Outing« neun Jahre danach. Damals trat er in einer Sitcom auf, die täglich live vor Publikum aufgezeichnet wurde. Wie nebenbei schildert er die fortwährende Anstrengung, die Symptome seiner Krankheit zu verbergen: ein Schauspielern zweiten Grades. Die finanziellen Einbußen, die der vierfache Familienvater aufgrund seiner Krankheit vermutlich hinnehmen musste, werden ebenfalls nicht angetippt. Wenn er zum Happy-End mit seiner Familie, die mit seiner Krankheit völlig unbefangen umgeht, einen Strandspaziergang macht, fühlt man sich wie in einem Michael J. Fox-Film: vielleicht zu schön, um wahr zu sein, doch man will es gerne glauben.
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