Kritik zu Trenque Lauquen
Ein Universitätsprofessor, sein Chauffeur und ihre spurlos verschwundene Freundin: lateinamerikanische Kinomagie mit Laura Paredes und Laura Citarella
Ausbrechen, einfach weggehen – schön und gut. Aber wie funktioniert so etwas? Und wohin soll man gehen? Diese existenziellen Fragen stellt »Trenque Lauquen«, und zwar betont unaufgeregt. Wie beim Häuten einer Zwiebel dringt jedes der zwölf Kapitel des argentinischen Films tiefer ein in ein erzählerisches Labyrinth.
Die Geschichte beginnt als Roadmovie. Gemeinsam mit dem Chauffeur Ezequiel (Ezequiel Pierri) begibt sich der Universitätsprofessor Rafael (Rafael Spregelburd) auf die Suche nach seiner spurlos verschwundenen Freundin, der Biologin Laura (Laura Paredes). Von Trenque Lauquen aus, einem fünf Autostunden von Buenos Aires entfernten Provinznest, erkunden beide eine Reihe trostloser Kleinstädte.
Die eigentliche Erzählbewegung entfaltet sich nicht räumlich, sondern literarisch. Gestaffelte Rückblenden enthüllen nach und nach, dass Ezequiel die Biologin Laura bei Recherchen unterstützte. Es geht um einen Schriftwechsel, der sechzig Jahre lang in einigen der Bücher der städtischen Bibliothek versteckt war. So taucht der Film ein in die erotisch-pornografische Geschichte einer mysteriösen Frau, die ihrem Geliebten irgendwann den Rücken kehrte, um sich auf eine Reise mit unbestimmtem Ziel zu begeben.
Diese Geschichte in der Geschichte fungiert als Anlauf. Im zweiten Abschnitt des wegen seiner vierstündigen (Über-)Länge aufgeteilten Films identifiziert Laura sich mit der Briefschreiberin. Auch Laura bricht aus ihrem bisherigen Leben aus. Man kann nur erahnen, warum. Vorübergehendes Exil findet die Biologin bei einem bodenständigen Lesbenpaar. Die Frauen züchten eine seltene Pflanzenart, mit der sie ein mysteriöses geschlechtsloses Wesen füttern. Eine Art Ungeheuer von Loch Ness, das der Film nicht zufällig nicht ins Bild setzt. Es ist ein queerer MacGuffin. Die letzten Szenen zeigen, wie Laura in Ruinen haust. Unsichtbare Hände reichen ihr Almosen. Sie befindet sich in ihrer eigenen Welt.
Laura Paredes spielt nicht nur die Hauptrolle. Gemeinsam mit Regisseurin Laura Citarella verfasste sie auch das Buch zu diesem filmischen Experiment. Beiden Frauen gehören zu »El Pampero Cine«, einem Filmkollektiv, das seit 2002 unabhängiges argentinisches Kino produziert und mit dem 14-stündigen Film »La Flor« berühmt wurde. Mit »Trenque Lauquen« gelingt den beiden eine visuell eindringliche Wiederentdeckung der Langsamkeit, die aber nie langatmig wird. Breitwandbilder in gedeckten, erdigen Farben machen die karge Landschaft zu einem Erlebnis. Das Spiel mit ausufernden Assoziationen setzt sich allmählich zusammen zu einer introvertierten feministischen Utopie. Am Ende folgt nicht die große, alles erklärende Pointe. Mit einem Feuerwerk poetischer Anspielungen auf Frauenfiguren – von Lady Godiva bis Alexandra Kollontai – kultiviert dieses schillernde filmische Mosaik ein Rätsel. Es vermittelt sich die subtil formulierte Ahnung von einem Raum, der erst noch erschlossen wird.
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