DVD-Tipp: Ernst Lubitsch Edition
Pola Negri als Romni in »Carmen« (1919)
Mit Ernst Lubitsch verbindet man so komische wie meisterhafte Filme wie »Ninotschka« und »Sein oder Nichtsein«. Hollywood hatte Lubitsch jedoch aufgrund seiner Historienfilme wie »Madame Dubarry« oder »Anna Boleyn« abgeworben. Neun frühe Filme des geborenen Berliners und deutschen Juden sind nun in der »Ernst Lubitsch Edition« auch in Deutschland veröffentlicht worden.
Zu den vier Erstaufführungen gehören vor allem der kürzlich restaurierte »Carmen« von 1919. Pola Negri verkörpert eine unangepasste Femme fatale, eine Romni, die den Männern reihenweise den Kopf und die Sinne verdreht. Bei Lubitsch stiehlt Negri den Männern die Show, ist kokett, verführerisch und erotisch. Aber wenn sich Carmen dann in einen berühmten Stierkämpfer verliebt, spielt Negri das überzeugend emotional, wird plötzlich befangen und schüchtern. Auffallend an diesen frühen Filmen, die zwischen 1916 und 1921 gedreht wurden, ist, wie gekonnt Lubitsch seine beiden weiblichen Stars Pola Negri und Ossi Oswalda in Szene setzt. Im Historienfilm »Madame Dubarry« verkörpert Negri eine Mätresse des Königs Louis XV., der von Emil Jannings eitel und gierig auf »junges Fleisch« gespielt wird. Dabei wird die ehemalige Modistin Jeanne (Negri) von Männern begehrt, benutzt, wie Ware gehandelt und missbraucht. Lubitsch zeigt das deutlich – auch, wie sie sich später rächt. Damit gelingt es dem Regisseur, ein kritisches Sittengemälde zu schaffen.
Viel leichter ist der Tonfall in den Komödien mit Ossi Oswalda. In »Ich möchte kein Mann sein«, einer Verwechslungskomödie, spielt Lubitschs erster weiblicher Star eine rauchende, fluchende, Karten spielende Frau, der man einen strengen Hauslehrer zur Seite stellt. Diese Ossi lässt sich aber nicht bevormunden, verkleidet sich als Mann und verführt den Aufpasser als Mann wie als Frau. Als der bemerkt, dass er sie auch küsste, als er in ihr noch einen Mann sah, fragt sie frech: »Wieso hat’s nicht geschmeckt?«
Lubitsch setzt Zwischentitel als witzige und unterhaltsame Bonmots ein und perfektioniert das mit Die »Austernprinzessin«. In dieser bitterbösen Komödie auf das reiche und oberflächliche Amerika, rechnet Lubitsch mit Neureichen, Adeligen und dem Militär ab. Der Industrielle Quaker hat eine verzogene Tochter. Eingeführt wird sie mit dem Zwischentitel: »Das gnädige Fräulein Tochter hat einen Tobsuchtsanfall.« Sie will unbedingt einen europäischen Adeligen heiraten, ihr Vater verspricht ihr: »Ich kaufe dir einen Prinzen.« Männer sind in »Die Austernprinzessin« nur Gegenstände, die nicht viel zu melden haben. Und Oswalda beweist ihr komisches Talent in der Rolle dieser burschikosen Frau. Abgesehen von der beißenden Komik gibt es monumentale Szenen wie das »bescheidene Hochzeitsmahl«, für das Lubitsch 300 echte Diener als Statisten engagiert haben soll.
Bei aller Freude über die neun Filme ist die Box nicht gerade üppig ausgestattet. Als 2016 eine Lubitsch-Box mit fünf Filmen erschien, verfügte »Die Austernprinzessin« noch über einen informativen Audiokommentar und einen Bonusfilm über Lubitsch. Nur ein dünnes Booklet liegt bei und bei »Carmen« darf man einen fünf Minuten langen Werbefilm der Bertelsmann-Stiftung betrachten. Immerhin bleiben die Filme, die man auch nach über 100 Jahren entdecken und goutieren kann.
Ernst Lubitsch Edition D 2022 R: Ernst Lubitsch. Da: Pola Negri, Ossi Oswalda, Emil Jannings. Anbieter: OneGate.
VÖ: 25. November 2022
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