Nachruf: Birgit Hein

Vor zwei Jahren widmete das Berliner Arsenal der Filmemacherin Birgit Hein eine umfassende Werkschau, die durch den zweiten Corona-Lockdown ausschließlich online stattfand: ein bemerkenswerter Kontrast zu Heins Filmen, die im doppelten Sinn auf körperliche Präsenz setzen. Einmal – besonders in den frühen Arbeiten – im Filmmaterial selbst, das etwa in Rohfilm 1968 auf mannigfaltigste Weise malträtiert wird. Aber auch, indem die Kamera (bis 1989 arbeitete Birgit gemeinsam mit Ehemann Wilhelm Hein unter dem Label W + B Hein) Körper und leibliche Aktivitäten – 
oft grenzüberschreitend – vor dem Objektiv in den Blick nahm.

Dabei war die Filmemacherin selbst erstes Objekt der Erkundung: Etwa wenn sie 1994 in ihrem Travelogue »Baby, I will make you sweat« von der eigenen Affäre mit einem jungen Einheimischen auf Jamaika erzählte. Andere Filme arbeiten mit vorgefundenem Material: So etwa »Die Unheimlichen Frauen« (1991, wie viele von Heins Filmen im Forum der Berlinale uraufgeführt), wo sie in einer mitreißenden Found-Footage-Collage das gern propagierte Bild der Frauen als sanftmütiges Geschlecht konterkariert.  

Die erste Kamera hatte die 1942 in Berlin geborene Pionierin des Experimentalfilms schon während des Kunstgeschichtsstudiums in Köln gekauft. Früh kämpfte sie auch für die Vermittlung internationaler Film­avantgarde: »XSCREEN« nannte sich die Truppe, die mit ihren Vorführungen ab 1968 die Kölner Filmszene aufmischte. 1971 machte Hein mit dem Referenzband »Film im Underground« erstmals auch als Autorin auf sich aufmerksam. 1977 verantwortete sie den Filmbereich der Documenta VI, auch sonst wurden ihre Arbeiten zunehmend im Bereich der bildenden Kunst – weltweit! – gewürdigt. Nach ihrer Berufung zur Professorin für Film und Video an der Hochschule für Bildende ­Künste Braunschweig 1990 prägte sie mit dieser Form von Filmvermittlung eine ganze Generation der jungen Filmavantgarde.