Kritik zu Lucy ist jetzt Gangster
Die 10-jährige Lucy wird zur Bankräuberin, um ihre Familie vor dem Ruin zu bewahren: Till Endemann erzählt eine Freundschafts- und Familiengeschichte mit kindgerecht zugeschnittener »Ocean's Eleven«-Hommage
»Lucy ist jetzt Gangster« geht dahin, wo es wehtut, denn: Die Welt droht, aus den Fugen zu geraten! Wie soll es weitergehen in dem kleinen, quietschbunten Städtchen, in dem die Eisdiele »Felicitá« der Eltern von Lucy (gespielt von den Zwillingen Valerie & Violetta Arnemann) für Balance sorgt? »Wir haben für jedes Problem das passende Eis« lautet das von den Trost suchenden wie fröhlichen Gästen gern gehörte Motto. Zumindest so lange, bis dem tollpatschigen Papa (Kostja Ullmann) der 10-Jährigen ein Schraubendreher in die 30 000-Euro-Eismaschine rutscht und dem sizilianischen Technikwunderwerk funkensprühend den Garaus macht.
Das ist eine in jederlei Hinsicht existenzialistische Misere, in die Regisseur Till Endemann, der das Drehbuch zur deutsch-niederländischen Ko-Produktion gemeinsam mit Andreas Cordes geschrieben hat, seine Heldin und das ganze Städtchen hineinwirft. Kindgerecht verpackt, ja, und dabei voll und ganz auf Augenhöhe mit seinem jungen Zielpublikum.
Der Eismacherfamilie droht der Schuldenberg im Nacken und das bevorstehende Aus; den treuen Gästen scheint eine traurige Zukunft mit ekeligem Eis am Stiel bevorzustehen. »Das ist unfair, Onkel Carlo«, beschwert sich Lucy bei ihrem pseudomafiösen Onkel (Kailas Mahadevan), der auch mal ein »Der Pate«-Zitat zum Besten gibt. »So wie das Leben«, antwortet der.
Es leuchtet also ein, warum die vorbildliche Lucy, von der alle sagen, dass sie zu gut für diese Welt sei, sehr zum Argwohn ihrer besten Freundin Rima (Lisa Marie Trense) auf die Idee kommt, die örtliche Bank zu überfallen. Helfen soll Schul-Rowdy Tristan (Brooklyn Liebig). Der schiebt sich mit Basecap und Kopfhörern wie Eminems kindliche Reinkarnation durchs Bild und schult Lucy in Erpressung, Diebstahl und Betrug. »Ich hab's auf die nette Art versucht, aber so funktioniert die Welt leider nicht«, sagt das desillusionierte Mädchen zu ihrem Spiegelbild, mit dem sie Zwiegespräche führt, und verwandelt sich nach und nach in Lucyfer. »Geh' doch ins Kloster, du Opfer« lautet später eine Ansage mit neuem losen Mundwerk an Onkel Carlo.
»Lucy ist jetzt Gangster« bereitet große Themen unterhaltsam und lustig für die Kleinen auf. Der Film ist eine sympathisch-überdrehte Freundschafts- und Familiengeschichte inklusive »Ocean's Eleven«-Kinder-Heist. Große Fragen stehen im Raum: Lohnt es sich, gut zu sein in der Welt, allen Widrigkeiten zum Trotz? Wie wichtig ist Solidarität? Das Setting, in dem (technische) Moderne auf Klamotten- und Auto-Retrolook trifft, Flatscreens auf den klassischen runden VW-Käfer, gibt diesem Kinderfilm mit seinen universellen Themen passenderweise einen märchenhaft zeitlosen Look.
Dass die Moral von der Geschicht' dazu gehören muss, versteht sich von selbst. Ebenso wie das geliebte Pfirsich-Maracuja-Eis, das Lucy und Rima sich gönnen. Nein, die Welt wird nicht umkippen. Aber es liegt an uns.
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