Zugänglich
Ich konnte es damals nicht glauben und kann es heute auch noch nicht. Allerdings gab es keinen Grund, meiner Quelle zu misstrauen. Sie versicherte mir: Nein, Burt Bacharach hat keinen Agenten. Er hat auch keine PR-Firma, die Interviewanfragen entgegennimmt. Er hat nur einen Anwalt, der sich um alles kümmert.
So unkompliziert war das bei dem Komponisten, der am Donnerstag im Alter von 94 Jahren starb. Alte Schule, könnte man sagen: einer, der angefangen hatte in Zeiten, als ein Handschlag noch genügte; einer, der übersichtliche Verhältnisse schätzte. Vielleicht brauchte er einfach auch keinen Agenten, so berühmt und reich, wie er war. Allerdings hat ausnahmslos jeder in Hollywood einen, selbst Leute, die noch viel berühmter und reicher sind als er.
Gleichviel, ich war beeindruckt, dass offenbar kurze Wege zu ihm führten. Auf die Idee, ihn zu interviewen, war ich ziemlich kurzfristig gekommen. Im Flug nach Los Angeles hatte ich ein Programm mit Stücken von ihm gehört, das mir sehr gefallen hatte: nicht nur seine Hits und Klassiker und nicht nur die bekannten Interpreten, vielmehr eine Auswahl entlegenerer Aufnahmen, die ihm wichtig waren. Das hörte ich, denn er moderierte das Programm selbst. Ich machte mir eifrig Notizen in den ausliegenden Zeitschriften und auf der Speisekarte; mir fielen unzähligen Fragen ein, der Plan war gefasst. Es muss in der ersten Hälfte der 90er gewesen sein, noch bevor er ein schönes Comeback mit dem Album feierte, das er und Elvis Costello aufnahmen. Andererseits war Bacharach ja nie wirklich aus der Mode, auch wenn er lange Zeit keinen Hit mehr gehabt hatte. Tantiemen nahm er ohnehin genug ein und sein Anwalt hatte bestimmt viel zu tun.
In Los Angeles nahm ich Kontakt mit einer Mitarbeiterin von ASCAP auf, der amerikanischen GEMA. Wir hatten uns kennengelernt, als ich Interviews zu einer Dokumentation über den Filmkomponisten David Raksin führte, die ich für den WDR vorbereitete. David hatte mir damals die Telefonnummern einiger berühmter Kollegen gegeben, die über ihn sprechen sollten: Elmer Bernstein, Henry Mancini, André Previn und John Williams. Ich bekam sie alle an den Apparat, und sie alle sagten zu. So einfach war das damals. John Williams wollte mich jedoch nicht zuhaus treffen, sondern schlug ein Büro im Gebäude der ASCAP vor und gab mir die Nummer besagter Mitarbeiterin. Schade, dass ich ihren Namen vergessen habe, denn für mich war ihre Hilfe ein Segen. Das Interview mit Williams lief gut, er sprach begeisternd, gewandt und überlegt über die Bedeutung, die David Raksin für die Entwicklung der Filmmusik in Hollywood hatte. Er schenkte mir großzügig seine Zeit, und überlegte am Ende lange, ob wir unser Thema wirklich aus allen wichtigen Gesichtspunkten erörtert hatten. Das Interview fand an einem Samstag statt, zu einem anderen Termin hatte Williams keine Zeit. Deshalb war es nicht schwer gewesen, ein leeres Büro zu finden. Das bedeutete aber auch, dass meine gute Fee Überstunden am Wochenende machte. Offenbar störte das sie nicht. Sie hatte still und aufmerksam in einer Ecke des Büros zugehört. Und sie liebte die Arbeit mit Komponisten.
Wir hatten also einen Draht zueinander; wir teilten eine Begeisterung. Bei ihr war ich in besten Händen. Es amüsierte sie, dass ich im Flugzeug auf die Idee gekommen war. Ja, sie fing Feuer. Sie wollte sofort Burts Anwalt anrufen (dass sie ihn beim Vornamen nannte, war nicht nur amerikanische Gepflogenheit, sondern verdiente Vertraulichkeit) und sich umgehend melden. Das fiel wieder auf ein Wochende, wäre aber weder für sie noch ihn ein Hindernis gewesen: "Don't worry, Burt's accessible." Es kam dann doch nicht zu dem Interview. Wenn, dann hätte ich Ihnen natürlich davon berichtet, als ich über Bacharachs Konzert in Berlin schrieb ("Magic Moments" vom 20. 7. 2018). Er war schlicht und einfach verreist. Nein, nicht nach San José, scherzte sie, sondern zu einer Hochzeit in Santa Barbara. Aber ihr Bedauern war echt. Das "Burt is accessible" aus dem Mund meiner namenlosen Heldin habe ich immer noch im Ohr.
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