Sky: »House of the Dragon«
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Die Superlative gelten alle noch. Für HBO ist »Game of Thrones« immer noch die meist gesehene Serie seiner Geschichte. Keine andere Serie wurde mit so vielen Emmy-Preisen ausgezeichnet. Das am 19. Mai 2019 ausgestrahlte Finale schauten fast 20 Millionen Zuschauer live – eine für die Streaming-Ära fast unvorstellbare Zahl. Die wiederum indirekt für einen anderen Rekord sorgte: Noch nie gab es so viele negative Reaktionen auf ein Finale. Die Welle des Missmuts übertraf noch die, die auf die ebenfalls sehr unbeliebten Enden von »Lost« und den »Sopranos« folgten.
Für eine Spinoff-Serie ist das alles eine schwere Hypothek, sowohl als Herausforderung – wie soll man an einen solchen Hype anschließen? –, als auch als Hindernis – wie kann man all die enttäuschten Fans zurückholen? Aber die Produktion eines Spinoffs war gleichsam unausweichlich. Schon 2017 gab HBO bekannt, dass an der Entwicklung von vier (!) verschiedenen Serien im »Game of Thrones«-Universum gearbeitet würde. Von einer wurde sogar schon die Pilotfolge gedreht; es sollte um Ereignisse gehen, die 1 000 Jahre vor denen um Daenerys Targaryen und Jon Snow stattfinden. Das Projekt wurde dann aber ganz aufgegeben. Mit »House of the Dragon« muss sich nun seit Ende August die erste Fortsetzung im Westeros-Universum vor Zuschauern bewähren. Wobei es nicht nur um den Erfolg und mögliche weitere Staffeln dieser einen Dynastie-Geschichte geht, sondern gleich um das ganze Königreich bzw. »Universe«.
»House of the Dragon« ist konzipiert als Prequel, das rund 200 Jahre vor dem Thronfolge-Streit der Ursprungsserie angesiedelt ist. Die Targaryens herrschen seit mehreren Generationen über die »sieben Königreiche« von Westeros. Paddy Considine spielt König Viserys I. Targaryen, einen zumindest anfangs noch gütigen und anständigen Regenten, der wie viele seiner realen Vorbilder in der Feudalgeschichte das Problem hat, keinen männlichen Nachfolger vorweisen zu können. Bis ins jugendliche Alter hat es bislang nur seine Tochter Rhaenyra (Emma d'Arcy) geschafft. Die macht als taffe Drachenreiterin eine gute Figur und tritt auch sonst schon so arrogant und königinnenhaft auf, dass der Zuschauer aus dem 21. Jahrhundert natürlich sofort begreift, was ihre Bestimmung wäre. Aber Viserys' ganzer Beraterstab, allen voran seine »Hand«, der von Rhys Ifans verkörperte Ser Otto Hightower, ist sich einig: Das Reich würde eine weibliche Herrscherin nicht akzeptieren.
Die Konflikte der ersten Staffel sind also vorgezeichnet: Wie wird Viserys, der ab Folge 1 am Körper zu verfaulen beginnt, seine Nachfolge regeln? Wird sich Otto mit seinen Intrigen durchsetzen? Wie wird Rhaenyra mit den Zurücksetzungen umgehen? Oder wird es Prinz Daemon (Matt Smith), ihrem bösen Onkel gelingen, die Königreiche ins Chaos zu stürzen?
Vieles an »House of the Dragon« hört sich vertraut an, sieht vertraut aus, fühlt sich vertraut an. Und doch ist alles auch anders. Ramin Djawadi hat mit seiner Titelmusik versucht, den »sweet spot« zu finden: Das alte Thema klingt an, wird variiert und löst damit einen Mix aus Nostalgie und Erwartung aus. Eine Fülle von expliziten Gore- und Gewaltszenen gleich schon in der ersten Folge erinnert daran, dass sich »Game of Thrones« noch nie für trashigen Horror zu schade war. Dass es auch wieder ausführliche Bordell- und Orgienszenen gibt, wirkt fast schon wie stolzer Trotz gegen den standardmäßig erhobenen Vorwurf der »Sexploitation«.
Vielleicht liegt es an den Folgen, die erst nach und nach zu ihrem Rhythmus finden, oder auch an der Zuschauerin, die sich in der vertrauten Umgebung mit lauter neuen Figuren erst wieder zurechtfinden muss – in jedem Fall nimmt »House of the Dragon« erst nach einiger Zeit so richtig Fahrt auf. Aber dann stellt sich der Sog wieder ein. Tatsächlich spielt das Thema Sex mit Rhaenyra als zentraler Heldin auf interessante Weise eine andere Rolle als noch in »Game of Thrones«. Ansonsten gibt es genug Geheimnisse, Intrigen und Schlachten, um bis Oktober dran zu bleiben.
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