Netflix: »After Life« Staffel 3
© Ray Burmiston / Netflix
Viel hat sich scheinbar nicht geändert in der englischen Kleinstadt Tambury seit April 2020, als Ricky Gervais für seine Netflix-Serie »After Life« zum zweiten Mal in die Rolle des Lokalreporters Tony Johnson schlüpfte. Tony war nach dem Krebstod seiner Frau Lisa in so tiefe Depressionen verfallen, dass er zeitweise Suizid für die einzige Erlösung hielt. Bis er seine Superkraft entdeckte und sein Umfeld für seinen Verlust bestrafte, indem er immer und überall sagte und tat, wonach ihm gerade war, während alle um ihn erfolglos versuchten, etwas Lebensfreude zu vermitteln. Dieser sarkastische Ton machte ihn zwei Staffeln lang zu einem der unterhaltsamsten Antihelden; in seiner Heimat brach die Serie Zuschauerrekorde.
Doch Gervais wäre nicht Gervais, wenn er nicht genau dann aufhören würde, wenn alle noch mehr von ihm wollen. Das war schon bei der Bürosatire »The Office« so und später bei »The Extras«, auch bei seinen legendär-ätzenden Moderationen der Golden Globes wusste er genau, wann für ihn der Spaß vorbei war. Und so ist nun auch die dritte zugleich die finale Staffel von »After Life«.
Und statt alles in Wohlgefallen aufzulösen, verbringt er als Witwer Tony sechs Episoden lang wieder quälend lange Abende allein auf dem Sofa, schaut alte Videos aus glücklicheren Tagen und trinkt dazu zu viel Rotwein. Falls was übrigbleibt, ext er die Flasche morgens in der Küche, wenn er Schäferhündin Brandy füttert, das einzige Lebewesen, das er ohne Einschränkungen erträgt. Tony existiert vor sich hin, geht missmutig zu seinem Job in der Redaktion des lokalen Gratisblattes, besucht weiter zusammen mit seinem Kumpel und Fotografen Lenny merkwürdige Kleinstadtbewohner mit ihren skurrilen Gründen, für eine der nächsten Ausgaben porträtiert zu werden. Er lässt seinen Schwager (und Boss) Matt tagtäglich spüren, dass er seine weiche Art verachtet. Er philosophiert weiter auf der Friedhofsbank mit der älteren Witwe Anne (Penelope Wilton) und trifft sich mit Emma (Ashley Jensen), der Pflegerin des Altenheims, in dem Tonys inzwischen verstorbener Vater untergebracht war. Doch anders als Emma will er nichts weiter als eine platonische Freundschaft, will sich auf nichts Neues einlassen. Das Leben findet ohne ihn statt.
Und dann gibt es doch irgendwann einen leisen Wandel in diesen knapp halbstündigen Episoden, in denen sich Tony widerwillig eingesteht, dass er Lisas Leben und die Erinnerung an sie nur ehren kann, wenn er sein eigenes nicht aufgibt. Am Ende findet Ricky Gervais, der Atheist, als Tony tatsächlich so etwas wie ein Leben nach dem Tod, und eine sehr diesseitige, zugewandte Haltung den Menschen und ihren Eigenarten gegenüber. Hinter Gervais' schroffem Ton verbarg sich schon immer ein großes Herz, und ohne sentimental zu werden, lässt er nun auch Tony auf seine Weise Frieden schließen. Ein sehr würdiger, befriedigender Abschluss einer außergewöhnlichen Serie.
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