Kritik zu Puppe
Drei traumatisierte Mädchen und zwei Betreuerinnen auf einem abgelegenen Bauernhof in den Schweizer Bergen: In seinem Debüt haucht Sebastian Kutzli dem Bergfilm neue Impulse ein
Die Berge schreien nach Läuterung, nach Drama. Die Größe der Natur, die Kraft der Naturgewalten, der magische Wechsel des Lichts, die schnell aufziehenden Unwetter und dagegen die inferioren Ausmaße der Menschen und ihrer Ansiedlungen – dieses Gefühl des Ausgesetztseins hat im Film immer schon die Kulisse geliefert für die Offenlegung der Gefühle, für Klarheit und Veränderung. Die Berge üben eben Druck aus.
In Puppe ist es ein einsam gelegener ehemaliger Bauernhof vor dem Hintergrund eines Massivs in den Schweizer Alpen, der den Schauplatz abgibt für eine Geschichte, die von Befreiung und Veränderung handelt. Diesen Bergbauernhof im Schweizer Wallis hat die Therapeutin Geena (Corinna Harfouch) in eine therapeutische Einrichtung verwandelt, und hierher bringt sie mit ihrem alten Lada das verschlossene Mädchen Anna (Anke Retzlaff). Das Konzept der Einrichtung ist, die Mädchen durch klare Regeln und gemeinsames Arbeiten wieder an ein normales Leben ohne Gewalt, ohne Kriminalität und ohne Drogen zu gewöhnen. Based on a true story: Der Film des deutsch-schweizerischen Regiseurs Sebastian Kutzli entstand nach einem Drehbuch von Maria Amsler, die selbst einmal in einem Erziehungscamp in den Pyrenäen gearbeitet hat.
Die Stimmung auf dem Hof ist angespannt: Als Geena und Anna ankommen, bedroht gerade Magenta (Sara Fazilat), genannt Maggie, die immer etwas überfordert wirkende junge Lehrerin (Anne Haug) mit dem Messer. Das dritte Mädchen auf dem Hof ist die junge Emma, die Wärme und Freundschaft sucht. Ein Missbrauchsopfer. Und Überforderung ist denn auch eines der großen Themen dieses Films, der auch davon erzählt, wie schwer es den oft hilflosen Helfern fällt, einen Zugang zu ihren Schützlingen zu finden.
Denn die schaffen sich ihre eigene Welt, mit ihren eigenen Ritualen und ihren eigenen Gesetzen, auch in der Abgeschiedenheit der Berge. Obwohl sie eigentlich nicht zueinander passen, schmieden Maggie und Anna Fluchtpläne. Und immer wieder reichen auch die Schatten der Vergangenheit in den Film herein. Der Klarheit der oft sonnendurchfluteten Berglandschft stellt Kutzli düstere, fast monochrom wirkende Rückblenden aus Annas Leben auf der Straße in Duisburg gegenüber. Annas Freundin ist dabei draufgegangen.
Bergfilme der letzten Jahre wie Der Verdingbub oder Bergblut haben sich um eine präzise Milieuzeichnung bemüht. Und dasmacht auch eine der Stärken dieses Films aus: zuzusehen, wie die Konstellationen unter den drei Mädchen sich immer wieder verändern. Doch Kutzli packt zu viel in seinen Film hinein. Annas Vorgeschichte auf der Straße ist eigentlich ein eigener Film, von dem man gern entweder mehr – oder weniger gesehen hätte. Etwas mehr Konzentration hätte dem Film´nicht geschadet. Und dass sich, wenn der Sturm über den Bergen dräut, herausstellt, dass Maggie und Anna eine gemeinsame Vorgeschichte haben, ist ein Drehbucheinfall der etwas bemühten Art.
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