Kritik zu Matrix Resurrections

© Warner Bros. Pictures

Bewertung: 4
Leserbewertung
3.5
3.5 (Stimmen: 2)

Matrix im Jahr 1999 zum ersten Mal zu sehen, war im wahrsten Sinne des Wortes mind bending. Eine echte Offenbarung. Ein Film, der nicht nur das Sehen im Kino veränderte, sondern die gesamte Wahrnehmung der Welt infrage stellte. Dagegen hatten die in Hollywood unvermeidlich folgenden Sequels von vorn herein keine Chance. Das Tempo anziehen, Charaktere multiplizieren und Handlungsstränge aufsplitten, damit wurde die geniale Idee auf ermüdende Weise verwässert. Doch jetzt schreibt Lana Wachowski im Alleingang, ohne ihre Schwester Lilli, (die damals noch Larry und Andy hießen) die Geschichte von Neo und Trinity in »Matrix Resurrections« weiter, nicht nur als besinnungslose Profitmaschine, sondern als interessant konstruierte Story, die auf einer Metaebene mit ihrer eigenen Geschichte auch den Sequel-Prequel und Remake-Wahn Hollywoods thematisiert.

60 Jahre nach dem Ende von »Matrix Revolutions« lebt Neo wieder ahnungslos als Thomas A. Anderson innerhalb der Matrix, ruhiggestellt als erfolgreicher Computergame-Designer einer erfolgreichen Spieltrilogie unter dem Titel Matrix. So wie Warner in der realen Welt die Wachowskis zum Neustart drängte, tut es im Film die Spielefirma. Allerdings steht es schlecht um Andersons seelische Stabilität, denn seine Wahrnehmung der Gegenwart wird von Interferenzen aus der Vergangenheit gestört, die immer wieder in Form von Filmschnipseln aus der »Matrix«-Trilogie aufflackern. Regelmäßige Sitzungen beim Therapeuten (Neil Patrick Harris) sollen helfen, was jedoch ein doppelbödiges Unterfangen ist: Geht es wirklich um seine Heilung oder doch eher darum, revolutionäre Impulse zu unterdrücken? Eine besonders irritierende Wirkung haben die morgendlichen Coffee-Shop-Begegnungen mit der von Carrie-Anne Moss gespielten Tiffany, die ihn in der Tiefe seines Unterbewussten berührt, ohne dass er ahnt, warum. Diese Orpheus und Eurydike-Liebesgeschichte ist das schlagende Herz des neuen Films, der für Lana Wachowski nicht nur ein vielschichtiges Spiel mit dem Recycling-Zwang Hollywoods ist, sondern vor allem eine erstaunlich warmherzige Hommage an die Liebe ihrer verstorbenen Eltern, die sie im Unterschied zu Neo und Trinity nicht wieder zum Leben erwecken konnte. Dabei findet Lana Wachowski eine schöne Balance zwischen der Wahrung der Tradition und einem modernen Twist, zwischen vielleicht nicht mehr ganz so mitreißenden Action-Sequenzen, immer noch beeindruckenden Schauwerten und raffinierten Gedankenspielen. 

Eine neue Generation von Revolutionären gegen das Joch der Maschinenwelt wird von einer neu eingeführten Figur inspiriert, der blauhaarigen Bugs (Jessica Hanwick). Wieder setzen sie große Hoffnungen auf die Erlöserfigur Neo, der einmal aus seiner Pod-Wiege gerissen, schwer hadert mit der Entscheidung zwischen roter und blauer Pille, zwischen harscher Realität und digitaler Projektion, zwischen Erinnerung und Traum. Erst die Aussicht auf eine neue Chance für seine Liebe zu Trinity weckt seinen Lebens- und Kampfgeist, so wie die Chemie zwischen einem mit zottelig langer Mähne und Zehntagebart charismatisch verlebten Keanu Reeves und Carrie-Anne Moss auch die Funken dieser Fortsetzung entzündet: »I never believed I was the one,« sinniert Neo einmal: »But she believed. It's my turn to believe in her.« Über die Frage der Identität, mit der Neo ringt, kommen auch die fließenden Übergänge zwischen den Geschlechtern ins Spiel, die Lana und Lilli Wachowski durch ihren eigenen Transweg in besonderer Weise symbolisieren. 

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