Kritik zu Die Zähmung der Bäume
Ein stiller Dokumentarfilm über ein ökologisch und sozial irrsinniges Riesenprojekt des georgischen Milliardärs Bidsina Iwanischwili
Im Allgemeinen haben unsere Mitgeschöpfe, sie seien tierischer oder pflanzlicher Natur, ja nicht viel mitzureden; das liegt nicht zuletzt daran, dass die Menschen sich nicht sonderlich viel Mühe mit der Verständigung geben. Allzu verschieden scheinen die Artikulationsformen von Tier und Pflanze, allzu mühsam ihr Erlernen. Und sowieso ist nicht zu erwarten, dass, verstünden wir sie denn endlich, viel Lob zu vernehmen wäre. Eher wohl bekämen wir es einmal mehr mit der rein rhetorischen Frage zu tun, die sich uns ohnehin tagtäglich stellt: Haben wir eigentlich noch alle Tassen im Schrank?
Auch »Die Zähmung der Bäume« wirft diese Frage auf, indem Salomé Jashi dokumentiert, wie in Georgien mehrhundertjährige, prachtvoll gewachsene Bäume der Laune eines mächtigen Mannes geopfert werden. Der, ein reicher Sammler mit politischer Vergangenheit und dementsprechendem Einfluss, sucht und findet die markanten Exemplare entlang der Küste, lässt sie ausgraben und Hunderte von Kilometern über Land und See in seinen sterilen Privatgarten verschleppen, wo sie einander auf die Wurzeln treten und wahrscheinlich in ein paar Jahren sterben werden.
Auf ihrer Reise, die mit enormem Aufwand vonstattengeht, schlagen sie eine Schneise der Verwüstung und reißen dutzendfach »im Weg stehende« Artgenossen mit sich. Wer versteht ihr protestierendes Knarren und Knarzen, während man an ihnen zerrt? Wer hört das wütende Aufheulen des Windes, der in ihre der leichteren Transportierbarkeit wegen gekappten Äste fährt? In ihrem ehemaligen Zuhause wiederum hinterlassen die widernatürlich wandernden Riesen eine existenzielle Leere. Mitunter begleitet eine ganze Gemeinde ihren Abtransport, ein händeringender Zug von Trauernden, denen der identitätsstiftende Dorfbaum aus monetären Gründen abhandenkommt, und die möglicherweise erst in diesem Moment des Verlustes begreifen, wer ihnen, ihren Kindern und Kindeskindern, Vorvätern und Urgroßmüttern all die Jahre Schatten spendete und Frieden.
Jashi schaut sich das alles sehr genau an, sie zeichnet mit großer Ruhe auf, hört zu, aber mischt sich nicht ein. Es ist nicht der allzeit bereite Homo sapiens, der in ihrem Film mit Erläuterungen und Rechtfertigungen wortreich die Bühne beansprucht. Der Raum gehört denen, die keine Worte haben und deren Sprache wir nicht verstehen – und die wir hier auch gar nicht verstehen müssen, derart klar, laut und deutlich zu vernehmen ist die Botschaft. Einen Wohlfühl-Naturfilm, der die Erhabenheit der Schöpfung feiert, ergibt dies nun beileibe nicht. Doch mit den Möglichkeiten der Erkenntnis über die Wesen, mit denen wir den Planeten teilen, geht »Die Zähmung der Bäume« außerordentlich großzügig um. Nicht nur indem der Film schlagend vor Augen führt, was Verwurzelung ist und welchen Schmerz Entwurzelung bedeutet; sondern vor allem auch weil es ihm gelingt, die qualitative Differenz zwischen natürlichen Gegebenheiten und menschlichen Ordnungsversuchen als den Verlust von Seele erfahrbar zu machen.
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