Kritik zu Die außergewöhnliche Reise der Celeste Garcia

© Kairos Filmverleih

Arturo Infante verknüpft in seinem Langfilmdebüt Alltagsbeobachtungen und Science-Fiction-Motive zu einem humorvoll-grimmigen Sittenbild der kubanischen Mangelwirtschaft

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Von den Fassaden bröckelt der Putz. Auch in den Wohnungen blättert überall die Farbe ab. Und vor den Geschäften bilden sich lange Warteschlangen. Für Urlauber, die die Musik von Buena Vista Social Club im Ohr haben, mögen diese Havannabilder pittoresk anmuten. Doch Celeste, eine nicht mehr ganz junge Pädagogin, sieht diese sozialistische Tristesse mit anderen Augen.

Ihre bittersüße Geschichte erzählt Arturo Infante in seinem Debüt, das er erst zwanzig Jahre nach seinem Kurzfilm »Utopia« realisieren konnte. Von einer Utopie handelt auch das Sittenbild, das der kubanische Autorenfilmer auf pfiffige Weise mit einem Science-Fiction-Motiv verwebt. So erfährt Celeste aus einer Fernsehansprache, dass seit geraumer Zeit Außerirdische auf Kuba leben. Diese extraterrestrischen Wesen erweisen sich als großmütig. Sie bieten Ausreisewilligen die Möglichkeit, mit auf ihren zivilisatorisch hoch entwickelten Planeten zu kommen. In eine Gesellschaft, in der Menschen sich ohne Geld selbst verwirklichen können.

Aber warum nur sollte Celeste in eine Welt emigrieren, in der sie doch gemäß dem sozialistischen Versprechen eigentlich längst angekommen ist? Diese paradoxe Frage beantwortet Arturo Infante mit listigem Humor, der von einer Fülle beiläufiger Detailbeobachtungen lebt. Maria Isabel Díaz, bekannt unter anderem aus Pedro ­Almodóvars »Volver«, verkörpert eine Grundschullehrerin, deren groteskes Schicksal, in Rückblenden angedeutet, Bände spricht. Schüler und Vorgesetzte schätzen sie. Doch als bekannt wird, dass ihr trunksüchtiger Mann sie schlägt, wird die fähige Pädagogin ganz selbstverständlich vom Dienst suspendiert. Man könne den Kindern so etwas nicht zumuten.

Das Planetarium, in dem Celeste ersatzweise jobbt, erhält plötzlich großen Zulauf. Jeder möchte einen Blick auf die sagenhafte Welt jener Aliens werfen, die den Kubanern die Hand ausstrecken. Grotesker noch wird es, als Celeste samt einer Gruppe gleichgesinnter Dissidenten per Bummelzug in ein, nun ja, Lager verfrachtet wird. Man müsse sich, so heißt es, auf den bevorstehenden Weltraumflug vorbereiten. Gemeinsam mit einem schwulen Tangosänger, einer Schwangeren und einer Prostituierten muss Celeste an einem paramilitärischen Training teilnehmen, das an politische Umerziehung erinnert.

Wird das Raumschiff der Aliens auch wirklich kommen? Sind die Außerirdischen tatsächlich die Erlöser? Auf diese Frage gibt der Film eine mehrfach in sich verdrehte Antwort. Das Lager, in dem die Migranten auf ihren großen Trip warten, erweist sich als brennpunktartige Widerspiegelung des kubanischen Alltags. Mit dieser subtil angedeuteten Pointe gelingt Arturo Infante ein wunderbarer kleiner Film, dessen poetisch zelebrierte Boshaftigkeiten sich erst allmählich erschließen.

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