Frauen* Film Fest Dortmund+Köln
»Exercises in Being Close to You«
Aus dem langjährigen »Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund|Köln« ist das »Frauen* Film Fest Dortmund+Köln« geworden – dieses Jahr größtenteils digital
Mit dem leicht geänderten Namen (und neuem Logo) solle neben Diversität und Selbstbewusstsein auch die Verbindung der beiden Festivalstädte und die Bedeutung des Treffens als soziales Netzwerk betont werden, schreibt Festivalleiterin Maxa Zoller im Katalog. Dieses Jahr musste das IFFF allerdings bis auf sechs in letzter Minute ermöglichte Vorstellungen im Dortmunder Schauburg-Kino noch weitgehend virtuell stattfinden.
Auch inhaltlich ziehen sich die Themen Diversität und Empowerment durch die Programmsektionen, wobei die breite Aufstellung der acht Filme des Internationalen Spielfilmwettbewerbs beeindruckend zeigt, wie es Regisseurinnen in aller Welt gegen viele Widerstände gelang, Filme zu oft brennenden Themen zu realisieren. Eine Situation, die das Roadmovie »Bandar Band« der iranischen Regisseurin Manijeh Hekmat in der hindernisreichen Überlandtour dreier Musikerinnen zu einem Wettbewerb in Teheran metaphernreich spiegelt. Clarisa Navas erzählt in »One in a Thousand« in fast dokumentarischen Settings vom Coming-out ihrer Heldin in der Jugendszene eines Armenviertels der nordargentinischen Stadt Corrientes. Buried von Françoise Ellong thematisiert den Missbrauch in der katholischen Kirche aus kamerunischer Perspektive. Den mit 15 000 Euro dotierten Hauptpreis errang mit Jasmina Žbanic allerdings eine europäische Filmemacherin für ihr oscarnominiertes Srebrenica-Drama »Quo vadis, Aida?.
Schon beim Studieren des Katalogs ist der Enthusiasmus zu spüren, mit dem das Team um Festivalleiterin Maxa Zoller gegen die erneuten Corona-Widrigkeiten mit Originalität und Reichtum an Ideen anging. Etwa die, sich in der traditionellen »begehrt!- filmlust queer«-Sektion um Monika Treuts »Genderation« dem Thema Generationen jenseits des familiären Settings zu widmen. Oder das neue »IFFF packt aus«-Programm, in dem ein externes Team (diesmal Studierende der Ruhruni Bochum) aus ehemaligen Festivalausgaben Filme unter aktuellem Fokus (diesmal Tanz und Bewegung) neu auswählt. Doch selbstverständlich ist ein Frauen Film Fest auch 2021 immer noch ein guter Anlass, sich ganz old school mit medialen Rollenbildern auseinanderzusetzen: Tatia Skhirdladzes »Glory to the Queen« etwa als dokumentarisches Gegenstück zur Netflixserie »Damengambit«, das statt Ex-Model Anya Taylor-Joy vier gestandene georgische Ex-Weltmeisterinnen präsentiert, die nach 1960 dreißig Jahre lang die Schachwelt regierten.
Überzeugend auch der Fokus »The Connection – Von Pflanzen, Menschen und anderen Tieren«, der dem Aufbruch zu größerem Respekt gegenüber unseren Mitspezies filmisch nachspürt: »Einen alternativen Standpunkt einzunehmen könnte bedeuten, den hegemonialen Kamerablick zu beunruhigen und neu zu justieren; zu versuchen, sich zumindest für ein Gedankenexperiment in die Perspektive der ›natürlichen Mitwelt‹ zu versetzen«, schreibt Kuratorin Betty Schiel. Gewährsfrau Donna Haraway plädiert in einer erfreulich unakademisch ausfallenden filmischen Begegnung mit der Professorin und ihrer Hündin Cayenne (»Story Telling for Earthly Survival«, R: Fabrizio Terranova ) ansteckend inspiriert für eine praktische und philosophische Wende in dieser Hinsicht gerade jetzt: »Gutes Denken passiert immer in Momenten der Sprachlosigkeit«.
Dabei kommt auch das Medium Film selbst in den Blick: In »Exercises in Being Close to You« dekonstruiert Krista Davis bei einer Expedition zu den riesigen Karibuherden im Arctic National Refuge in Alaska gewitzt konventionelle Tierfilme, in dem sie die aus dem Genre gewohnten Beobachtungssituationen und ihre Bilderausbeute verweigert. Und der Kurzfilm »Wolves from above« von Demelza Kooij zeigt in grafischem Schwarz-Weiß, wie ein Rudel Wölfe von der über ihnen schwebenden, filmenden Drohne aus dem Konzept gebracht wird. Erwähnt werden muss noch, dass gerade in der Onlineausgabe der sorgfältig kuratierten Kurzfilmprogramme doch große Lücken durch fehlende rechtliche oder materielle Verfügbarkeit der Filme klafften. Freuen wir uns schon auf das nächste Jahr!
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