Kritik zu Die letzten Reporter
Jean Boué stellt in seinem Dokumentarfilm ein Segment der Medien vor, das mit der digitalen Revolution und der Krise des Printjournalismus zunehmend unter Druck gerät: die Lokalreporter
Zur Begrüßung ein jovialer Handschlag und eine kräftige Umarmung (wir sind offensichtlich noch vor Corona). Dann macht Thomas Willmann von der Sportredaktion der »Schweriner Volkszeitung« ein paar Fotos und fragt mit dem obligatorischen Notizblock Trainer und junge Sportler eines regionalen Radballmatches routiniert und wohlwollend nach Länge der Anfahrtsreise und ersten Spieleindrücken ab. Am Schluss wünscht man sich noch gegenseitig ganz viel Spaß und gute Heimfahrt.
Werner Hülsmann verantwortet bei der »Neuen Osnabrücker Zeitung« seit dreißig Jahren eine Kolumne namens »Werners Cocktail« und trifft dafür lokale Stars und Sternchen wie den Schlagersänger Christian Steiffen oder die Sopranistin Ella Weller, vor deren Villa ein Cabrio mit Leopardenmuster parkt. Mit dem Reporter ist sie auf Du, auch hier zum Abschied herzliches Gedrücke und der Wunsch nach baldigem Wiedersehen.
Man kennt sich hier in der deutschen Provinz, und in den berichtenswerten Teilen des öffentlichen Lebens und den traditionellen Medien scheinen immer noch die alten weißen Männer dominant. Dass sich das auch hier bald ändert, legt eine Fortbildungsveranstaltung nahe, wo das wesentlich aus männlichen Endfünfzigern bestehende Publikum von jungen Dozentinnen über die Gepflogenheiten der digitalen Kommunikation aufgeklärt wird. Denn auch bei der »Schweriner Volkszeitung« sollen Inhalte in Zukunft per Tablet und Smartphone verdealt werden. Dabei telefoniert Willmann bis jetzt noch mit einem alten Knochen-Handy. Und auch Hülsmann schwört auf die Haptik von Papier und die Übersichtlichkeit der bisherigen PC-Redaktions-Software. Doch er geht im nächsten Jahr sowieso in Rente.
Auch im Film steht den beiden Herren mit der Nachwuchsjournalistin Anna Petersen eine sozial engagierte und regional verwurzelte Digital Native gegenüber, die im Lauf der Dreharbeiten ihre erste Stelle bei der »Landeszeitung Lüneburg« antritt. Petersen hatte in ihrem Studium auch ein Praktikum beim Magazin der »Süddeutschen Zeitung« gemacht, wurde aber unter anderem wegen der Erfahrungen im Münchner Glasturm zur leidenschaftlichen Verfechterin eines bodenständigen Journalismus aus der Region. Und auch wenn in ihrem malerischen Stil manchmal ein wenig Relotius anklingen mag, ihre Inhalte sind das komplette Gegenteil: grundsolide recherchierte Geschichten aus der kleinstädtisch-ländlichen Nahwelt, die unter dem Fenster des Redaktionsbüros beginnt. Ihr Motto: »Die Leute aufklären, warum was wie läuft.«
Unterlegt sind die beobachtenden Situationen in Redaktionen und im Feld mit markanten Ausschnitten aus den zum jeweiligen Sujet entstandenen Artikeln und sparsam eingesetzter leicht ironisierender Musik. Die derzeitige Krise des Journalismus und die Debatten über mögliche Konzepte für die Zukunft werden in Jean Boués Film eher angetippt als analytisch durchdrungen. Dafür bietet der Film aufschlussreiche Einblicke in sonst nach außen eher unsichtbare gesellschaftliche Bereiche der nordwestdeutschen Provinz.
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