Netflix: »Red Dot«
Auf den einschlägigen Webseiten wurde »Red Dot« schon im Dezember als ein Netflix-Highlight des Monats Februar angekündigt. Tatsächlich klang der Film durchaus vielversprechend mit seinem knappen Titel und einer wohltuend schnörkellosen Story.
Im Mittelpunkt stehen David (Anastasios Soulis) und Nadja (Nanna Blondell), die nach eineinhalb Jahren Ehe in einer ersten, kleinen Krise stecken, weil der Alltagstrott die Romantik frisst. Also überrascht David seine Frau mit einem Campingtrip in die verschneite Wildnis Nordschwedens. Dort werden die beiden in der ersten Nacht plötzlich von einem roten Punkt fixiert. Zunächst glauben sie an einen schlechten Scherz mit einem Laserpointer, doch sehr schnell erweist sich der Punkt als Zielvorrichtung eines Scharfschützen. Als dieser das Feuer eröffnet, flüchtet das Paar in die Wildnis.
Bis es zu diesem Schlüsselmoment kommt, ist fast eine halbe Stunde des kaum 82-minütigen Films vergangen, ohne dass diese Zeit dramaturgisch sinnvoll genutzt worden wäre: Ein paar häusliche Momente sollten Charakterzeichnung simulieren, ein paar latent bedrohliche Begegnungen vermeintliche Hinweise auf den Schützen geben. Seis drum, jetzt könnte es endlich losgehen mit der erhofften Mischung aus Survival-Abenteuer und mörderischer Jagd.
Aber leider wird daraus nichts. Ohne Gespür für Suspense und frei von Originalität werden David und Nadja durch altbekannte Situationen gehetzt, wobei sie fast immer die dümmste aller möglichen Entscheidungen treffen.
Wenn die beiden zum Beispiel einen Verfolger ausschalten und anstatt sein Schneefahrzeug zu nutzen, lieber in den verschneiten Wald rennen, hat das mehr von »Die Nackte Kanone« als von »The Most Dangerous Game«. Der »rote Punkt« des Titels taucht nach fünf Minuten nie wieder auf, und mit jeder neuen, unglaubwürdigen Wendung verstärkt sich der Eindruck, dass zu Beginn des Drehs niemand recht wusste, wie die Geschichte sich entwickeln soll.
Entsprechend hanebüchen wirkt dann auch das Finale, bei dem noch einmal die ganz großen Themen Schuld und Sühne versucht werden. Stattdessen zeigt sich hier exemplarisch, dass die Gier nach stetig neuem »Content« häufig zulasten der Drehbücher geht.
Ein weiterer Effekt des Streamings besteht in der Egalisierung der Inhalte: Von ein paar Leuchtturmproduktionen abgesehen startet jeder Film unter gleichen Voraussetzungen. Früher wusste man bei Video- und DVD-Premieren in der Regel, was einen erwartet: B- und C-Stars in zweit- und drittklassigen Genrefilmen. Perlen gab es auch da. Diese Trennlinien sind verloren gegangen. Heute ist jede Streaming-Premiere ein potenzieller Knaller. Stimmt natürlich nicht. Filme wie »Red Dot« sind der beste Beweis.
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