Streaming-Tipp: »Hausen«
»Hausen« (Miniserie, 2020). © Sky Deutschland/Lago Film GmbH/Reiner Bajo
Man kommt nicht umhin, den Mut dieser Serie zu bewundern, ihre Konsequenz, ihre Geschlossenheit, ihre fahle visuelle Ästhetik. Sie spielt in labyrinthischen Gängen, unter flackernden Neonlampen, in einem Paralleluniversum, vielleicht in einem Totenreich. Und sie nimmt sich dafür viel Zeit. Der Hauptakteur ist eigentlich ein Hochhauskomplex, dessen oberer Teil von Wolken verhangen ist. Und in dem eine schwarze Flüssigkeit ihr Unwesen treibt, wie wir schon in der ersten Episode erfahren müssen. Selten verlassen die Episoden die Innenwelt der endlosen Gänge, versifften Wohnungen und der tropfenden Versorgungsleitungen, die wie die Adern eines komplexen Organismus wirken. Und wenn die Kamera einmal draußen ist, sieht es dort auch nicht viel anders aus als drinnen. In dieses Haus zieht der 16-jährige Juri (Tristan Göbel) mit seinem Vater Jaschek (Charly Hübner), der im Wohnkomplex als neuer Hausmeister angeheuert hat. Und da gibt es wahrhaftig viel zu tun: Die Heizung geht nicht, und aus ihr kommt eine schwarze Suppe heraus.
Die Mieter des Hauses gleichen einem Pandämonium: eine rechtsradikale Familie im achten Stock (»Stock 88«, sagt das Familienoberhaupt), ein Paar mit einem Baby, das auch nach neun Monaten noch keinen Namen hat (und auf rätselhafte Weise verschwindet), ein Machotyp, der Schlangen und einen Kampfhund hält, und ein mysteriöses Trio Jugendlicher, das wie aus dem Nichts auftaucht und im Haus Drogen vertickt. Und selbst der so integer und zupackend wirkende Jaschek hat, wie später zu erfahren ist, Dreck am Stecken. Auf einer seltsamen Party, auf der wie bei einer Kirchenkollekte Geld für die Nahrung des Babys gesammelt wird, läuft der Talking-Heads-Hit »Burning Down the House«.
Inszeniert hat diese Serie Thomas Stuber, der mit den poetischmelancholischen Filmen »Herbert« und »In den Gängen« bekannt wurde. Aber schon in seinem überbordenden Murot-Tatort »Anschlag auf Wache 08« bewies er sein Faible für das Genrekino. Nicht von ungefähr spielte der Titel auf John Carpenters »Assault on Precinct 13« an, der wiederum von »Rio Bravo« inspiriert war, und Stuber spielte munter mit den Standardsituationen des Genres.
Für »Hausen« stand sichtlich der haunted-house-Horror Pate und ganz deutlich »Dark Water« (2002); wer will, kann aber auch Anklänge an andere Kunst-Horrorfilme entdecken. Als Head-Autor fungierte, neben Anna Stoeva, Till Kleinert, der 2014 mit dem queeren Horrorfilm »Der Samurai« brillierte. So ist aus »Hausen« auch eine Manifestation eines neuen deutschen Genrekinos geworden.
Die ersten beiden Episoden liefen Ende Oktober auch in einigen Kinos. Das ist folgerichtig, im Kino dürften die Bilder (Kamera wie bei allen Stuber-Filmen: Peter Matjasko) einen noch größeren Sog entfalten. Aber das omnipräsente Gefühl der Fremdheit und Unwirklichkeit überträgt sich auch auf der heimischen Mattscheibe. Und wer bei »Hausen« dranbleibt, merkt, dass er es eigentlich mit einem achtstündigen Horrorepos zu tun hat.
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