Kritik zu Astronaut
Ein pensionierter Wissenschaftler, gespielt von Richard Dreyfuss, versucht, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen: als Astronaut ins All zu fliegen
Auf den ersten Blick klingt die Story von »Astronaut«, über einen alternden Witwer, der gegen jede Chance an einem zivilen Raumfahrtprogramm teilnehmen will, ziemlich schal. Da gibt es den todkranken Senior, den liebenswerten Enkel und einen Milliardär mit »daddy issues«, eine besorgte Tochter und ein paar kauzige Altersheimbewohner. Doch die Vorurteile trügen. So klischeehaft die Figurenkonstellation sein mag, und so vorhersehbar sich die Dramaturgie irgendwann entwickelt, gelingt es der Autorin und Regisseurin Shelagh McLeod, den vertrauten Zutaten hier und da einen unerwarteten Dreh zu geben. Astronaut ist ein Film über den Traum von der Raumfahrt, der sich wie ein Kammerspiel anfühlt, eine Reflexion über das Altern, bei der ein Kind eine treibende Kraft ist, und eine Familiengeschichte, bei der die Grenzen des Begriffs auf subtile Weise verschoben und erweitert werden.
Aber der Reihe nach. Der pensionierte Straßenbauingenieur Angus (Richard Dreyfuss) lebt seit dem kürzlichen Tod seiner Frau bei der Familie seiner Tochter. Da der 75-Jährige allmählich gebrechlich wird und auch bisschen nervt, wird er in ein Seniorenstift abgeschoben. Vor allem der Enkelsohn Barney ist darüber tief entsetzt. Gemeinsam hecken die beiden einen Plan aus, damit Angus sich wenigstens noch seinen Lebenstraum erfüllen kann: Als Astronaut beim ersten zivilen Weltraumflug dabei zu sein, für den der Milliardär Marcus noch Kandidaten sucht. Colm Feore, einer der großen amerikanischen »supporting actors«, spielt diesen Marcus als eine Mischung aus sensiblem Mäzen und autoritärem Macher, klar angelehnt an kapitalistische Philanthropen wie Elon Musk.
Wie Angus, Barney und später auch dessen Vater mit kleinen Fälschungen und Flunkereien das Auswahlteam austricksen, hat den Charme eines Schelmenstücks. Es gibt keine spektakulären Eskapaden, alles bleibt im Rahmen des Vorstellbaren. Wie überhaupt der ganze Film sich durch eine entspannte, zurückhaltende Erzählweise auszeichnet. Motive, die in anderen Filmen als dramatischer Angelpunkt genutzt würden, werden hier mit bemerkenswerter Selbstverständlichkeit eingebaut. Das gilt insbesondere für die multiethnische Familien- und Figurenkonstellation, aber auch für die angedeutete Vaterrolle, die Angus bei Marcus einnimmt, während eine junge Wissenschaftlerin dem Traum des Rentners viel mehr Verständnis entgegenbringt, als dessen leibliche Tochter. Sicher nimmt Shelagh McLeod sich insgesamt mehr vor, als die Geschichte stemmen kann, doch auf wundersame Weise fällt es kaum auf. Das liegt nicht zuletzt an Richard Dreyfuss, der den Film mit seiner schieren Präsenz und seinem diskreten Charme trägt. In den letzten Jahren adelte er vor allem B-Actionfilme, und allein das Wiedersehen mit ihm bereitet Freude. Natürlich weckt Dreyfuss Erinnerungen an seine Parts in »Unheimliche Begegnung der dritten Art« und »Always«. Doch auch das wird nicht forciert. Wie bei so vielem in diesem kleinen, sympathisch unperfekten Film vertrauen die Macher darauf, dass der Zuschauer versteht. Es funktioniert.
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