Kritik zu Und der Zukunft zugewandt

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1952 kommen drei Kommunistinnen nach mehreren Jahren in einem sowjetischen Arbeitslager in die DDR. Bernd Böhlich erzählt von einer Perspektive auf Gesellschaft, die heute kaum mehr vorkommt

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Der eigene Glaube wird manchmal einer starken Prüfung unterzogen. Wie kann man seinen Vorstellungen als deutscher Kommunist treu bleiben, wenn man, vor dem Faschismus geflohen, miterleben muss, wie in der Sowjetunion der dreißiger Jahre Schauprozesse mit willkürlichen Anschuldigungen allem Hohn sprechen, was man bisher für richtig hielt?

So geht es drei Frauen, die sich 1952 in der DDR wiederfinden. Sie kommen direkt aus einem Straflager in Sibirien, wo die eine mitansehen musste, wie ihr Ehemann vor ihren Augen erschossen wurde, als er seiner Tochter, die er seit drei Jahren nicht gesehen hatte, ein Geburtsgeschenk brachte und dafür den Zaun überwand, der das Lager der Männer von dem der Frauen trennte. Das dürfen sie – unter Androhung schwerster Strafe – natürlich nicht erzählen, schließlich ist die Sowjetunion das Vaterland aller Werktätigen und Joseph Stalin wird als deren Führer verehrt.

Es ist ein Tabuthema der DDR-Gesellschaft, dessen sich Bernd Böhlich, einst selber Bürger dieses Staates, in seinem Film angenommen hat. Siebzig Jahre später ist es ein Thema, das immer noch gerne verdrängt wird und das dabei zudem die generelle Frage nach dem Umgang mit der Wahrheit aufwirft. Auf der einen Seite erleben wir hochrangige DDR-Funktionäre, die sich darum bemühen, die Frauen nicht nur in die Gesellschaft einzugliedern, sondern auch ein Stück Wiedergutmachung zu leisten für das Unrecht, das ihnen angetan wurde. So bekommt die Tochter von Antonia Berger, die aus Sibirien eine Lungenkrankheit mitgebracht hat, die beste medizinische Behandlung; sie selber wird zur Leiterin des Haus des Volkes ernannt. Der Preis dafür ist das verordnete Schweigen, mit Hinweis auf die Reaktion im Westen, wo sich wieder Nazis breitmachen, aber auch aus Angst vor der eigenen Bevölkerung, die noch nicht so weit sei, historische Prozesse zu verstehen, wie es der örtliche Parteisekretär erklärt.

Immer wieder muss sich Antonia Berger fragen, ob ihre Entscheidung die richtige war – bis hin zu jenem Tag, an dem 1989 die Mauer fällt. Sie ist nicht die einzige, die an den Aufbau des Sozialismus glaubt, auch der junge Arzt Konrad, den sie kennen- und lieben lernt, hat sich für den beschwerlichen Weg entschieden und dafür die väterliche Arztpraxis in Hamburg ausgeschlagen.

Es wäre leicht gewesen, diese Figuren von oben herab zu betrachten, Geschichte aus der Siegerperspektive zu schreiben und sie als Verblendete zu zeichnen, die – trotz der Erfahrung des Stalinismus am eigenen Leib – weiterhin an den Aufbau des Sozialismus glaubten. Es ist das Verdienst dieses Films, seine Figuren im Zwiespalt zwischen dem Eintreten für eine gerechtere Gesellschaft und den Zweifeln an den Methoden daran zu zeichnen. Eher konventionell inszeniert, ist er am überzeugendsten da, wo er seine Geschichte durch Verknappung auf den Punkt bringt: in der Abwertung eines von Antonia konzipierten Theaterstücks, das die Kinder zu Ehren eines hohen Besuches aufführen sollen, durch einen angereisten Parteifunktionär, im Verhör Antonias (durch Peter Kurth), in der Meldung vom Tod Stalins.

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